Bad Vilbel. 72 Jahre alt werden musste Heinz Frisch, bis man ihm erstmals eine Zwangsjacke verpasste. Nein, nicht seine Ehefrau hat den engagierten Bass des Musikschulchors „Vil-belCanto“ an die Kette gelegt, sondern vielmehr das Burgfestspielteam um Regisseur Egon Baumgarten, das den wahnsinnigen Vater des ebenfalls nicht richtig tickenden Henry Jekyll alias Edward Hyde suchte und in Belcantos erstem Bass fand.
Der spielfreudige und immer zu Späßen aufgelegte frühere Sparkassenangestellte mit dem gepflegten Äußeren ließ sich willig in der Zwangsjacke an den Rollstuhl fesseln, voller Vertrauen, dass ihn nach dem Auftritt zu Beginn des Schauerstücks jemand wieder in die Freiheit entlässt. Wie anspruchsvoll auch diese kleine Nebenrolle ist, bemerkt, wer das normalerweise lebhafte Gesicht von Heinz Frisch kennt. So geistesleer ins Publikum zu starren, ohne übertrieben den Verrückten zu mimen, das will gekonnt sein.
Schon in der letzten großen Inszenierung, an der die Sänger des „Vil-belCanto“ mitwirkten, im Musical „Jesus Christ Superstar“, war Frisch in einer Nebenrolle als Hoher Priester herausgestellt worden.
Und Heinz Frisch ist einer der fleißigsten des diesmal mit 34 Akteuren antretenden gemischten Chors. An 24 der insgesamt 28 Vorstellungen von „Jekyll und Hyde“ ist er auf den Bretten, die für viele die Welt bedeuten. Später, bei den beiden großen Auftritten des Bad Vilbeler Chors mit dem Szenentitel „Fassade reprise“ und „Mörder“ tritt er in die Reihen des Ensembles zurück und ist Teil der anspruchsvollen Choreographie
Für die Mitglieder des 1995 an der Musikschule gegründeten Chores ist die Teilnahme an den Burgfestspielen zu einer Säule des Jahresprogramms geworden. Zweimal hintereinander mit ein paar Gesangsszenen als „Volk“ in Evita, dann im vorigen Jahr „Jesus Christ“ schon mit regelrechten szenischen Darstellungen bei der Verurteilung und Kreuzigung des christlichen Protagonisten und diesmal in Jekyll und Hyde mit Chorgesang und zwei knallharten Choreografien. Gewöhnungsbedürftig, die gestandenen Damen und Herren, Hausfrauen und Mütter im schrägen Milieu zu erleben oder gar als in Reizwäsche gehülltes leichtes Mädchen im Nachtclub „Rote Ratte“.
Die von Angela Hercules-Joseph einstudierte und von „Dance Captain“ Daniel Papst streng überwachte Choreographie ist die große Herausforderung in diesem von Frank Wildhorn komponierten Gruselstück. Der musikalische Chorbeitrag ist wegen komplizierter Rhythmik nicht einfach. Chorleiter Benedikt Bach, für die musikalische Einstudierung der Chorszenen verantwortlich, hat diesmal etwas weniger Aktive als im vorigen Jahr auf die Bühne gebracht. Aus einem Bestand von 34 Sängern kann Regieassistent Alexander Katt immerhin jeweils 17 pro Vorstellung auswählen.
Weitere Aufführungen von Jekyll an Hyde am Montag, 1. September, Dienstag, 2. September, Donnerstag, 4. September, Freitag, 5. September und Samstag, 6. September, jeweils 20.15 Uhr.