Bad Vilbel. Eben noch in der Rolle des Brunnen-Unternehmers Friedrich Grosholz im Fernsehen, kurz darauf als Nachtwächter in der Altstadt. Claus-Günther Kunzmann ist zurzeit schwer beschäftigt. Der Kulturamtsleiter und Vorsitzende des Geschichtsvereins schiebt das Spektakel der Burgfestspiele an, bereitet das Römerfest mit Einweihung des Delfin-Mosaiks vor – und das alles scheinbar nach dem Motto: „Der Tag hat 24 Stunden. Und wenn das nicht reicht, nimmst du die Nacht dazu“.
Dunkel wurde es am Samstagabend gegen 21 Uhr, als Kunzmann seine Stadtführung begann. In ein gespenstisches schwarzes Gewand hatte er sich für diesen Anlass gehüllt. Ein Schlapphut zierte das bärtige Haupt. Nur die Laterne versagte ihren Dienst – was den mehr als einhundert Zuhörern freilich wenig ausmachte. Der Geschichtsverein, der die nächtliche Tour mit dem Verein Stadtmarketing erstmals angeboten hatte, war erstaunt über den Andrang – ein toller Anblick, als die Menge im schalen Mondlicht dem vermummten Kunzmann vom Alten Rathaus über Burg und Lohgerberbrunnen bis zur Stadtschule folgte.
Kunzmann enttäuschte sein Publikum nicht. Bestens vorbereitet war er, vieles konnte der gebürtige Vilbeler und Heimatkundige auch aus dem Gedächtnis darbieten. Was mochte wohl der gelbe Kreis vor dem Stadthaus bedeuten, der dort wie von einer Geisterhand angebracht schien? Kunzmann wusste es. Die alten Vilbeler kennzeichneten ihre Häuser mit Zeichen. Der Kreis vor dem Stadthaus signalisierte: „Hier gibt es nichts.“ Das ist offenbar heute genauso wie ehedem, als sich in dem Gebäude noch die Stadtkasse befand.
In der Schulstraße erinnerte Kunzmann sein Publikum an die kleine barocke Nikolauskirche, die einer Intrige des auf große moderne Kirchen abonnierten Dekans Walter Ender zum Opfer gefallen sein soll. An der heimelig beleuchteten Burg brachte Kunzmann den Brand von 1796 in Erinnerung. Der napoleonische General Kléber verlangte von den Vilbelern die Wiederherstellung der Niddabrücke. Als das nicht wunschgemäß geschah, zündete er die Burg an, nicht ohne nach einem üppigen Mahl den Weinkeller zu plündern. Die Story vom Raubritter Bechtram durfte da nicht fehlen. Apropos Franzosen und Niddabrücke: Am 31. Januar 1806 forderte ein angetrunkener französischer Soldat vom Wirt des „Anker“ in der Friedberger Straße 10 Wein. Als dieser nur Apfelwein und Bier zu bieten hatte, wurde er niedergestreckt. Der Soldat verendete ebenfalls – er fiel in der Mitte der Brücke in seinen Säbel.
Geschichten über Geschichten. Die Nachtwächter-Runde ruft geradezu nach einer Fortsetzung. (hgm)