Die großen Renaturierungsprojekte an der Nidda sind abgeschlossen. Nun gelte es, den Fischen und Vögeln Ruhe zu geben und sie bei der Gestaltung ihrer neuen Lebensräume zu bestaunen, sagt der Gewässerökologe Gottfried Lehr.
Bad Vilbel. „So, wie die hier herumgeistern, ist das bestimmt eine ganze Familie“, sagt Lehr. Er steht direkt unterhalb des vielbefahrenen Nidda-Radweges gegenüber des Schützenhauses und deutet auf einen stark angenagten Baumstamm. Dort hat sich ganz offenbar ein Biber gütlich getan. Diese Tiere galten lange als vom Aussterben bedroht, doch nach der Renaturierung seien sie vor zwei Jahren zurückgekehrt, berichtet Lehr. Dafür habe der neue Baumbestand am Ufer gesorgt, besonders Weiden, die Biber gerne fräßen. Der Biber sei auch ein Landschaftsarchitekt, er brauche Ufersäume, in denen er graben könne – was ihm in der seit den Sechzigerjahren kanalisierten Nidda eben nicht mehr möglich war.
Nur wenige Meter weiter, an der Erlenbach-Mündung, zeigt Lehr ein knapp 700 Meter langes Uferstück, in dem die Renaturierung in aller Stille fortgeführt wurde. Mit Spenden der Firma Hassia wurden die Uferbefestigungen gelöst. Ein Bagger hat die Steine herausgelöst, sie als Inseln neu in der Bachmitte platziert. So könne sich das Ufer jetzt sein eigenes Profil schaffen, mit Kiesbänken und Steinufern, „da kann dann auch mal ein Baum reinfallen“, meint Lehr.
Zurück von der Nordsee
Der Natur mache das nichts aus, der Fluss suche sich dann eben eine Umleitung. All das steht für ihn unter dem großen Motto der Renaturierungen, „dass wieder neue Lebensräume geschaffen werden“. Neben der Meerforelle sind Nase und Barbe zurück, die Rückkehr der Europäischen Sumpfschildkröte wird von einem Forschungsprojekt der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt begleitet.
Lebensräume entdeckt der Gewässerexperte an allerlei zunächst unscheinbaren Orten. Er deutet an der von Steinen befreiten Flussstelle auf eine Stelle mit Kiesuntergrund.
„Das ist eine Laichgrube für die Meeresforelle, die jetzt zum Anlaichen aus der Nordsee zurückgekehrt ist.“ Auch diese Fischart, für die ein Angelverbot gilt, gibt es seit zwei Jahren wieder in der Nidda. Weil auch die Frankfurter Nachbarn mitwirken, ihre Wehre jeweils zu den Fischwanderungen im Frühjahr absenken, sei die Nidda jetzt das erste Mal seit hundert Jahren wieder an den Main angebunden. Seitdem mit Hilfe von Hassia-Spenden vor acht Jahren am Nidda-Knie bei Gronau das erste Referenzprojekt zur Renaturierung begann, könne der Fluss jetzt auf zwei Dritteln des Bad Vilbeler Stadtgebietes auf natürlichen Bahnen fließen, schildert Lehr. Insgesamt aber sind die knapp hundert Nidda-Flusskilometer erst zu einem Drittel umgestaltet worden. Eine große Strecke komme hinzu, wenn die Deutsche Bahn mit dem Bau des dritten und vierten S-Bahngleises beginne.
Bereits vor 14 Jahren seien dafür drei große Maßnahmen zwischen Harheim und der Bad Vilbeler Kläranlage geplant worden. Neben den Umbau-Vorhaben im Karbener Stadtgebiet ist auch auf einem Kilometer eine Renaturierung bei Ilbenstadt geplant. Auch unterhalb des Dortelweiler Sportplatzes gibt es seit langem Überlegungen zum Uferumbau. Im wesentlichen aber sind die Strukturen in Bad Vilbel geschaffen, „die Natur braucht nun Zeit und Raum“
Naturfreunde sollten jetzt die Augen aufhalten, sie könnten manchmal sogar einen Eisvogel beim Kaffeetrinken auf der Büchereibrücke beobachten. „Wir sollten honorieren, dass die Tiere wieder da sind, ihnen Ruhe gönnen, sie als Bereicherung auch für die nachfolgenden Generationen sehen.“ Schon jetzt sei es normal, dass Störche oder Reiher an Gartenteichen Zwischenlandungen zum Fischen machten.
Viele Überraschungen
Ob es nicht sinnvoll sei, die Nidda und ihre neuen Bewohner auch auf einer Internet-Seite vorzustellen? Lehr findet die Idee gut – er hat bisher nur eine Facebook-Seite zu seinen Aktivitäten. Aber vielleicht könne das mit dem richtigen Sponsor funktionieren. Material über den Fluss, die Fische und Vögel gebe es genug. Vielleicht überzeugte das auch jene Hundebesitzer, die jetzt noch ihre Vierbeiner frei herumlaufen ließen, wo entlang der Nidda Rückzugsgebiete für seltene Tiere wie den Kiebitz ausgewiesen seien. Im Moment aber stehe für die Fische erst einmal die Winterruhe an. Frösche vergraben sich in tiefen Löchern.
Doch Gottfried Lehr blickt weiter, sieht sich auch als Visionär. „Es wird noch manche Überraschungen geben.“ So werde man vielleicht auch die Ringelnatter und den Lachs an der Nidda wiederentdecken können.
Außerdem seien im nächsten halben Jahr auch umweltpädagogische Aktionen geplant. Dazu will Lehr aber noch nichts verraten.