Karben. Die letzte Wählerin im Wahlbezirk sechs, Bürgerzentrum Groß-Karben, muss Wahlleiter Ralf Schreieck wegschicken. Es ist zwar erst fünf vor sechs, aber die junge Frau war im falschen Wahllokal gelandet. Pünktlich um 18 Uhr beginnt dann das große Zählen, zuerst die Stimmen für die Bundestags-, dann die Bürgermeisterwahl.
Im Saal haben sich die ersten Bürger eingefunden, um live dabei zu sein, wenn die Entscheidung über Karbens Bürgermeister fallen würde. Auf dem Fernseher flimmerten die ersten Bundes-Hochrechnungen über den Bildschirm. CDU-Bürgermeisterkandidat Guido Rahn steht in der Tür. „Der Trend kommt uns entgegen“, sagt er. Doch wie die Bürgermeisterwahlen ausgehen? „Wenn es nach der Stimmung im Saal bei der Podiumsdiskussion am Dienstag ginge, werden wir gewinnen.“
Noch aber muss Guido Rahn warten. Lange vier Stunden liegen vor ihm. Geduld muss auch Bürgermeister Roland Schulz (SPD) haben, der es sich in einer leeren Stuhlreihe bequem gemacht hat. „Heute wird mein Nachfolger gewählt, da muss ich da sein“, sagt er. Eine Prognose über den Wahlausgang mag er nicht abgeben. Eine Stunde später ist ihm und den wenigen anderen SPD-Leuten im Saal das Lachen vergangen. „Uiuiui“, murmelt Elke Wojnar, Stadtverordnete aus Groß-Karben, als auf den Bildschirmen der schwarze Balken von Rahn immer länger wird. Da ist es Viertel nach Sieben und der Saal füllt sich.
Die Wahlhelfer aus den Stadtteilen treffen ein und viele CDU-Mitglieder. „Wie geht die Pumpe?“ begrüßt ein junger Mann Guido Rahn. Der Kandidat ist sichtlich nervös. Er tigert hin und her durch den Saal. Die Ärmel seines Hemdes sind aufgerollt. Immer wieder streicht er sich durchs Haar, wenn er die neuen Zahlen aus den Wahllokalen studiert. Steht dabei ganz alleine am Rand der Bühne. Der Sieg ist doch klar, oder? „Langsam, langsam, Klein-Karben fehlt noch“, sagt Rahn. „Da kann Schmitt noch die Mehrheit bekommen und dann kippt das Ganze.“ Wer sich noch nicht blicken lässt, das ist sein sozialdemokratischer Kontrahent. „Vermutlich sitzt er in seinem Büro und schwitzt vor sich hin wie ich damals vor fünf Jahren“, vermutet Schulz. Er vermutet richtig.
Wenig glücklich ist Familie Rippen. Sie freut sich zwar über den bundesweiten Stimmenzuwachs der Grünen. Doch den sich deutlich anbahnenden Politikwechsel im Karbener Rathaus betrachtet sie mit gemischten Gefühlen. „Das wird ein böses Erwachen für viele Bürger geben“, sagt Fraktionschef Gerrit Rippen.
Ein Raunen geht durch den Saal, als das Ergebnis von Klein-Karben angezeigt wird. Der Trend ist nicht mehr umkehrbar, Schmitt hat auch in den traditionell SPD-starken Wahlbezirk verloren. „Das ist deutlich“, sagt Mario Beck und wartet auf das Endergebnis. „Ich will es endlich wissen“, erklärt er. Derweil stellt sich der Fan-Club von Guido Rahn schon auf das zu erwartende Endergebnis ein. „Ich habe fest an den Erfolg von Rahn geglaubt“, sagt Christa Schindewolf. Sie hält den Gratulationsblumenstrauß jetzt nicht mehr verstohlen, sondern ganz sichtbar in den Händen. Auch Schmitt will schon gratulieren, doch Rahn winkt immer noch ab. Er will auf das Endergebnis von Wahlleiter Wolfgang Seuring warten. Doch das Jacket hat er schon einmal übergezogen für den bevorstehenden Applaus. Roland Schulz hält es nicht mehr im Saal. Er gratuliert Rahn im Gang und will zu seinen Genossen nach Rendel. (ado)