Drei Tage vor Heiligabend haben die Stadtwerke vier Platanen vor dem Karbener Hallenfreizeitbad gefällt. In aller Frühe rückten die Gärtner an, schon um neun war von den 25 Jahre alten Bäumen nichts mehr zu sehen. Naturschützer sind stocksauer, die Stadtwerke sagen: Es gab keine sinnvolle Alternative.
Karben. „Schöne Bescherung!“ Tiefe Ironie klingt aus Ulrike Loos’ Stimme. Die Vorsitzende des Umweltverbandes BUND in Karben und Niddatal zückt ihre Kamera und fotografiert, wie die Gärtner mit der Motorsäge die letzten Zentimeter der Stämme absägen.
Kurz nach neun am Montagmorgen der Vorwoche hat die Fachfirma aus Friedberg bereits ganze Arbeit geleistet. In Windeseile sind die vier Platanen am Hallenfreizeitbad-Parkplatz in Klein-Karben entlang der Straße Am Breul Kleinholz.
Die Abholz-Aktion kommt zwar ohne unmittelbare Terminankündigung. „Eine Nacht-und-Nebel-Aktion“, kritisiert SPD-Fraktionschef Thomas Görlich. Allerdings haben die Stadtwerke als Eigner von Boden und Bäumen das Vorhaben schon im Sommer in Aussicht gestellt. Stadtwerke-Stadtrat Michael Ottens (FW) kündigte die Fällung für diesen Herbst an. Grund: Die Mainova hatte die Stadtwerke aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Wurzeln der Bäume die Gasleitung unter dem Gehweg nicht gefährden.
Das Problem: Beim Bau des Hallenfreizeitbades 1981 waren die Bäume am Parkplatzrand gepflanzt worden, ohne dass die Lage der Leitung berücksichtigt worden sei. Nachdem nun Anwohner den Gasnetzbetreiber darauf aufmerksam machten, reagierte der. Die Bäume waren einigen der Anwohner schon seit Jahren ein Dorn im Auge: Besonders ihre klebrigen Früchte verschmutzten ihre Häuser, Wohnungen, Wege. Über Jahre hinweg wurde auch an diesem Problem gedoktert, inklusive Rückschnitt.
Experten aber waren sich einig: Weil die Bäume früher nicht richtig gepflegt worden seien, sei das Problem nicht lösbar. Ursprünglich hatten die Stadtwerke die Anwohner-Forderung nach dem Abholzen der vier Bäume abgelehnt. Häufigeres Reinigen der Wege sollte ausreichend Abhilfe schaffen. Die Meinung änderte sich aber mit dem Hinweis auf die Gefahr für die Gas-Leitung.
Aber warum mussten die Bäume nun fallen und es wurde nicht einfach die Leitung vor Wurzelwuchs geschützt? So oft habe er schon dazu Stellung genommen, seufzt Stadtrat Ottens. „Das ist doch bis zum Erbrechen ausführlich diskutiert worden.“
Überleben fraglich
Zumindest eine Kostenaufstellung sei zugesagt und nie geliefert worden, erinnert Ulrike Loos. „Das wurde auch schon diskutiert“, widerspricht Ottens. Aus wirtschaftlichen Gründen entschieden die Stadtwerke: Sie habe 4760 Euro gekostet, während Angebote für Wurzelschutz auf Kosten von mehr als 14 000 Euro hinaus gelaufen wären.
„Und keine der Firmen wollte eine Garantie geben, dass die Bäume diesen Eingriff überleben“, erinnert der Stadtrat. Wo und welche Ersatzpflanzungen es für die vier Platanen geben solle, sei noch nicht entschieden, erklärt er. Überlegt werde, neue, großkronige Bäume im Stadtzentrum zu pflanzen – und zwar dort, wo westlich der heutigen Bebauung der Luisenthaler Straße ohnehin ein Grünzug entstehen solle.
Der Grünstreifen am Hallenbad zwischen Parkplatz und Straße werde aller Voraussicht nach mit Stauden und Blumen bepflanzt, kündigt Michael Ottens an. Das solle im Stil der in den vergangenen Jahren neu angelegten Rabatten entlang der Bahnhofstraße geschehen.
Stur weitergemacht
Dennoch bleibt SPD-Mann Görlich bei seiner Kritik und behauptet: „Es gibt die eindeutige Aussage der Mainova, dass keine Gefahr besteht.“ Der Zeitpunkt für die Fällung noch kurz vor Weihnachten sei „politisch interessant“, meint Görlich. Und er ist überzeugt: „Es hätte andere Lösungen gegeben.“
Eine solche hätte auch BUND-Vorsitzende Loos bevorzugt. Das Fällen solcher Bäume sei genau das Gegenteil von dem, was die Staaten der Welt gerade im Klima-Abkommen von Paris vereinbart hätten. „Da hat man sich dazu verpflichtet, Bäume zu pflanzen.“
Gerade an dieser Stelle nahe der Hauptverkehrsstraße sei der ökologische Nutzen der vier großen Bäume nicht aufzuwiegen. „Was glauben Sie, wie viel CO2 und Schadstoffe die Bäume gefiltert haben“, mahnt Loos. „Es macht mich fassungslos, dass man sich diesem Argument nicht öffnet und einfach stur weitermacht in Karben.“ (den)