Ein breites Bündnis aller Bürger soll verhindern, dass sich Rechtsextreme in Karben einnisten. Eine rechte Gruppe hat mitten in der Stadt einen Treffpunkt eröffnet. „Das“, sagt Stadtrat Philipp von Leonhardi (CDU), „ist ein Angriff auf uns alle.“
Karben. Mit einer Schulklasse der Kurt-Schumacher-Schule (KSS) ist Hartmut Polzer in der Bahnhofstraße unterwegs. 21 von stadtweit 56 „Stolpersteinen“ liegen hier und erinnern an Bürger, die vor dem Nationalsozialismus flüchten mussten oder von den Nazis ermordet wurden. „Die Bahnhofstraße war das jüdische Zentrum Karbens“, erklärt Polzer, einer der Köpfe der „Initiative Stolpersteine“.
Genau hier hat vor einigen Tagen eine rechtsextreme Gruppe einen Treffpunkt eröffnet. Neben der Moschee der türkisch-islamischen Ditib-Gemeinde. „Eine besondere Provokation“, findet Kulturstadtrat Philipp von Leonhardi (CDU).
„Ein Zentrum zum Austausch von Ideen, ein Treff für nonkonforme Politik-Begeisterte, eine Anlaufstelle für den Erwerb von Wissen“ habe man geschaffen, schreibt die Gruppierung auf ihren Internetseiten. Die „Projektwerkstatt“ solle als dauerhafter Treffpunkt für die Anhänger aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet dienen.
Mit der „Identitären Bewegung“ scheint sich eine neue Plattform für die rechten Ideen zu entwickeln: „Sie hat virtuell ihren Anfang genommen“, erläutert der Sprecher der Friedberger Polizei, Jörg Reinemer. Mit der Karbener Niederlassung trete die Gruppierung erstmals in der Wetterau räumlich in Erscheinung. „Wir beobachten das“, sagt Reinemer. Polizei und Staatsschutz seien „noch am Anfang unserer Beurteilung“. Die Beobachtung hat einen Grund – die Nachbarschaft zur Moschee. „Damit hat das für uns natürlich eine noch größere Relevanz“, räumt der Sprecher ein. Die Beamten seien längst in Kontakt mit der islamischen Gemeinde. „Die Ditib muss sich nicht unsicher fühlen“, beruhigt Reinemer. Dafür sorge die Polizei.
Angriff auf alle
Doch wirkt die Provokation nun als Ansporn: In der Stadt bildet sich ein Gegenbündnis. Als erste schließen sich Stadt, Ditib, Schule und „Stolpersteine“-Initiative zusammen. Veranstaltungen sollen auf die Beine gestellt werden, kündigt von Leonhardi an. Und, am Wichtigsten, Schüler und Lehrer über die Rechtsextremen informiert werden. „Als ,Schule ohne Rassismus‘ werden wir Stellung beziehen“, kündigt Monika Lenniger an, Leiterin des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften. Die KSS sei „stark durch einen offenen und multikulturellen Umgang miteinander geprägt“.
Ob man der Gruppe nicht zu viel Aufmerksamkeit schenke? Maria Wittich vom Ausländerbeirat hat da Bedenken. „Man muss das ernst nehmen“, sagt Monika Lenniger. Die Rechtsextremen hätten es speziell auf junge Leute abgesehen.
Auch versuche die Gruppierung, Begriffe wie Identität und Kultur zu besetzen. „Das lassen wir uns nicht gefallen, denn den Kulturbegriff haben wir in Karben offen definiert“, sagt Stadtrat von Leonhardi. Die Rechtsextremen sehen laut eigener Darstellung „unsere ethnokulturelle Identität durch die Massenzuwanderung und die Islamisierung bedroht“. Damit sollten „Teile der Karbener Bevölkerung ausgedeutet und gespalten werden“, kritisiert von Leonhardi: „Ein Angriff auf einen Einzelnen ist ein Angriff auf alle.“
Die große Solidarität freut die Ditib-Gemeinde. Die Mitglieder seien „schon beunruhigt“, sagt Irfanyie Kocak, Vorsitzende der Frauengruppe. „Wir sind schockiert und empört und empfinden das als dreiste Drohung“, pflichtet ihr Nureddin Kocak bei.
Dieses Miteinander, pflichtet ihm Stadtrat von Leonhardi bei, „bedeutet für uns Lebensqualität.“ Daher solle es Aktionen geben, bis die Rechtsextremen ihre Arbeit wieder eingestellt hätten. Wichtig sei aber, dass sich niemand provozieren lasse, mahnt Hartmut Polzer. „Schmierereien oder Ähnliches sind der Sache nicht dienlich.“ (den)