Auf einen erneuten Schub an Flüchtlingen muss sich Karben einstellen: Zu den derzeit 202 Menschen sollen bis Ende März weitere 164 kommen. Zwar könnten die ersten anerkannten Asylbe- werber aus den Sammelun- terkünften ausziehen. Doch die Vermittlung in Wohnungen entwickelt sich zum Problem.
Karben. „Das beansprucht schon einen erheblichen Teil meiner Arbeitszeit“, räumt Bürgermeister Guido Rahn (CDU) ein. Die Unterbringung der Flüchtlinge beschäftigt das Rathaus derzeit wie kaum ein anderes Thema. Und der Aufwand steigt aktuell noch.
202 geflüchtete Menschen leben schon in der Stadt. An vier Standorten sind sie untergebracht, der größte sind drei Sammelunterkünfte im Okarbener Gewerbegebiet Spitzacker. Weil sich die Stadt früh auf die vielen Zuzüge einstellte, funktionierten die Aufnahme und das Leben der Menschen reibungslos.
164 weitere kommen
Mit gut 250 Wohnplätzen hofft man im Rathaus, genug Platz für die Flüchtlinge zu haben. Obwohl allein im ersten Quartal 164 weitere Menschen angekündigt sind: Im Wetteraukreis würden so viele Flüchtlinge wie noch nie erwartet, erklärt Guido Rahn.
Die Karbener Kapazität genüge dann, wenn Flüchtlinge ihre Verfahren abschließen und die Unterkünfte wieder verlassen können. Den ersten sechs Flüchtlingen sei nun Asyl gewährt worden.
„Nach dem erfolgreichen Durchlaufen des Verfahrens können sie ausziehen aus den Unterkünften“, erklärt Michael Elsass, Sprecher des Wetteraukreises. Das heißt aber, die Anerkannten müssen in normale Wohnungen ziehen. „Wir müssen nun Unterkünfte akquirieren“, sagt Rahn. Eigentlich sei das Sache der anerkannten Flüchtlinge, erinnert Kreis-Sprecher Elsass.
Faktisch scheitert es oft aber allein an fehlenden Sprachkenntnissen. Von einem Job zwecks Finanzierung der Wohnung ganz zu schweigen. Um die Menschen zu unterstützen, kümmere sich ein Sozialarbeiter um den Umzug in Wohnungen, sagt Elsass. Genau ein Helfer für die ganze Wetterau.
Das Ergebnis: „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, seufzt Rahn. Deshalb ist nun eine Stadtmitarbeiterin in Karben damit befasst, dass die neuen Einwohner schnell in eigene Wohnungen ziehen können. Auf dem angespannten Wohnungsmarkt nicht einfach, zumal binnen vier Jahren 1000 Menschen in die prosperierende Stadt gezogen seien.
„Diese Aufgabe können wir nicht den ehrenamtlichen Helfern aufbürden“, sagt Guido Rahn. Andere Hilfe aber gebe es nicht. „Wir werden völlig allein gelassen.“ Und die Stadt komme kaum hinterher, Personal aufzustocken.
Deshalb hofft der Bürgermeister nun auf Ruhe an einer anderen Stelle: Der Wetteraukreis habe ein besseres Angebot zum Erstatten der Unterbringungskosten gemacht. So wolle Landrat Joachim Arnold (SPD) statt 7,30 nun 8,50 Euro je Tag und Flüchtling zahlen. Zusätzlich zahlt der Kreis seit vergangenem Jahr einen Euro pro Tag und Flüchtling für „weiche Faktoren“ wie Kosten der sozialen Betreuung.
Mit dem bisherigen Satz war die Stadt nicht ausgekommen. Zehntausende Euro waren allein im ersten Halbjahr 2014 in der Stadtkasse hängengeblieben. Deshalb hatten die Karbener und die Bad Vilbeler den Kreis auf eine Übernahme der Gesamtkosten verklagt – und in erster Instanz verloren. Nun läuft die Revision.
Mehr Geld vom Kreis
Er empfiehlt den Stadtverordneten aber, das neue Angebot des Kreises fürs laufende Jahr zu akzeptieren. Ende des Jahres sei dann gut einzuschätzen, ob das stimme. Binnen 14 Tagen sollen die Fraktionen ihre Meinung sagen. Zumindest vom Verfahren ist Rosemarie Plewe, Chefin der Freien Wähler, nicht überzeugt. Sie will detailliert erfasst wissen, wie viel Arbeitsleistung der Mitarbeiter für die Flüchtlingsarbeit nötig sei. „Das ist dann eine gute Grundlage, ob sich unser Vorgehen wirklich lohnt.“
Das lehnt Guido Rahn ab: „Wir müssen unser vorhandenes Personal effektiv einsetzen und haben nicht genug Ressourcen, um diese für Bürokratie zu binden.“ Denn für ein Gerichtsverfahren müsse der Arbeitsaufwand ganz exakt notiert werden. Fürs Controlling genügten dagegen Schätzwerte.
Binnen 14 Tagen sollen die Fraktionen ihre Rückmeldungen geben. Allzu gerne möchte Rahn einen weiteren Rechtsstreit verhindern. „Das kostet viel Personalaufwand und Kraft, die wir nicht haben.“ (den)