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Bald Aus fürs Ein-Euro-Ticket?

Einen Euro kostet seit Anfang des Jahres 2017 eine Fahrt innerhalb der Stadt Karben, egal ob mit Bus oder S-Bahn. Der niedrige Preis sorgt aber immer wieder für Ärger beim Verkehrsverbund. Archiv-Foto: Pfeiffer-Goldmann
Einen Euro kostet seit Anfang des Jahres 2017 eine Fahrt innerhalb der Stadt Karben, egal ob mit Bus oder S-Bahn. Der niedrige Preis sorgt aber immer wieder für Ärger beim Verkehrsverbund. Archiv-Foto: Pfeiffer-Goldmann

Karben. Zweieinhalb Jahre gab es nur positive Meldungen zum öffentlichen Nahverkehr in Karben. So hatten die Gremien auf Antrag der SPD zum Januar 2017 die Einführung des Ein-Euro-Tickets beschlossen, wenn Fahrgäste innerhalb des Stadtgebiets unterwegs sind. Gerade für Fahrgäste beispielsweise aus Petterweil hat sich die Einführung des Billigtickets besonders gelohnt, mussten sie doch statt einem Euro zuvor 2,60 Euro zahlen. Grund: Mitten durch Karben verläuft eine Tarifgrenze des Rhein-Main-Verkehrsverbundes. Doch selbst wer nur in einer Zone unterwegs war, musste viele Jahre doppelt so viel zahlen wie jetzt, nämlich zwei Euro pro Einzelfahrt.
Für Berufspendler, die nach Frankfurt wollen, hat sich die Fahrpreissenkung nicht gelohnt, da der Ticketpreis von Petterweil etwa zum Frankfurter Hauptbahnhof genauso teuer ist wie von Groß-Karben Bahnhof zum Hauptbahnhof in Frankfurt.
3,20 EURO GESPART
Ganz anders sieht es bei denjenigen aus, die von Petterweil beispielsweise ins Karbener Zentrum fahren, um dort einzukaufen. Vorher kostete sie die Einzelfahrt 2,60 Euro, nach der Fahrpreissenkung einen Euro. Hin und zurück also vorher 5,20 und jetzt schlappe zwei Euro, also 3,20 Euro gespart.
Nun fahren viele nicht täglich zum Einkaufen. Aber wer in Petterweil wohnt und im Karbener Zentrum arbeitet, für den hat sich vor der Einführung des Ein-Euro-Tickets eine Monatskarte gelohnt. Die kostet 45,60 Euro. Nehmen wir an, jemand hat eine normale Fünf-Tage-Woche, das wären 20-mal Petterweil–Karben-Zentrum und zurück. Nach der alten Regelung hätte er mit Einzelfahrscheinen 104 Euro zahlen müssen. Nach der neuen Regelung lohnt es sich für ihn allerdings, bei jeder Fahrt einen Einzelschein zu lösen. Das macht bei 20 Arbeitstagen in der Summe 40 Euro. Eine Monatskarte wäre für ihn also deutlich teurer.
Das müssen sich offenbar viele ausgerechnet haben, denn genau das monieren die Verkehrsverbünde. Bei einem Gespräch mit Vertretern der Verkehrsgesellschaft Oberhessen (VGO) muss das Thema kürzlich zur Sprache gekommen sein. Bürgermeister Guido Rahn (CDU) sagte, der Verkauf von Monatskarten innerhalb Karbens sei von 120 auf 50 »drastisch heruntergegangen«. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV), der von Anfang an den Ein-Euro-Fahrscheinen skeptisch gegenüberstand, verlangt nun von der Stadt einen finanziellen Ausgleich für die Einnahmeausfälle.
Ohnehin kommt die Stadt das seit zweieinhalb Jahren bestehende Billigticket teuer zu stehen. Schon im Oktober 2017 berichtete die Bad Vilbeler Neue Presse, dass die VGO für die Stadt einen Zuschussbedarf von rund 57 000 Euro errechnet hatte. Ursprünglich war die Stadt von 20 000 bis 30 000 Euro ausgegangen. Für 2018 schnellte der Zuschuss aufgrund steigender Verkaufszahlen auf 70 000 Euro herauf, Tendenz weiter steigend.
RMV VERLANGT AUSGLEICH
Es klingt also paradox: Je mehr Einzelscheine in Bussen und Bahnen innerhalb Karbens verkauft werden, desto mehr muss die Stadt drauflegen. Das hängt damit zusammen, dass der Verkehrsverbund eine Ausgleichszahlung verlangt für die Mindereinnahmen. Sprich: Für jeden verkauften Einzelfahr- schein von Petterweil nach Karben rechnet der RMV 2,60 Euro aus, die Differenz zum Kundenentgelt von einem Euro muss die Stadt mithin an den Verbund abführen. Eine Sprecherin des RMV erklärt das so: »Möchte eine Kommune Fahrkarten günstiger anbieten, so ist grundsätzlich vereinbart, dass sie die Differenz zwischen dem Kundenabgabepreis und dem Regeltarif ausgleichen muss – unter anderem auch, damit die anderen Gesellschafter des RMV-Gebiets nicht den Tarifwunsch einer einzelnen Kommune mitfinanzieren müssen. Im Gegenzug erhält die Kommune bei der Abrechnung auch die dem Regeltarif entsprechenden Erlösanteile. Diese Regeln sind Teil des Verbundvertragswerks, auf das wir die Stadt Karben vor Einführung des Sondertarifs nochmals hingewiesen haben.«
Nun entgehen dem RMV also nicht nur die Einnahmen aus den Einzelfahrscheinen, sondern offenbar auch aus dem Verkauf der Monatskarten. Die Fahrgastzahlen steigen, die Erlöse für den Verkehrsverbund sinken. Und die Stadt muss immer mehr zuschießen.
Das ganze Thema ist so komplex und wohl auch heikel, dass die Stadt sich aktuell konkret dazu nicht näher äußern will. Stadtoberhaupt Rahn weist lediglich darauf hin, dass »wir zu diesem Thema Ende Juli eine Sondersitzung von Magistrat und zuständigen Ausschüssen einberufen werden, um das weitere Vorgehen abzustimmen«.
Aufhorchen lässt Rahns zweiter Antwortsatz auf Anfrage dieser Zeitung: »Bei dieser Sitzung werden dann die alternativen Möglichkeiten vorgestellt und erörtert.« Bedeutet »alternative Möglichkeiten« etwa eine Preiserhöhung oder gar die Einstellung des Billigfahrscheins? Ende Juli wird es also spannend in Karben.