Karben. „Die verlorene Liebe der Ilse Stein“ ist eine behutsam erzählte und zutiefst ergreifende Geschichte. Sie berichtet über Mut und Menschlichkeit inmitten des mörderischen 20. Jahrhunderts. Mit dem 152-seitigen Werk, erschienen im Frankfurter Brandes & Apsel Verlag, legt Johannes Winter die Biografie einer jüdischen Frau vor, die aus Deutschland vertrieben wurde. Kürzlich las Winter auf Einladung der Karbener Initiative Stolpersteine im evangelischen Gemeindehaus in Okarben aus seinem Buch vor.
Griff Winter in „Herzanschläge“ noch den Beginn der Geschichte über das jüdische Mädchen auf, stellt er in seinem zweiten Buch die dramatische Begegnung von Ilse Stein mit dem Hauptmann der Wehrmacht Willi Schulz in den Mittelpunkt. Die Grundlagen des Buches bezieht der Autor aus den Erinnerungen der Ilse Stein, mit der er in den frühen 90er Jahren mehrmals gesprochen hat sowie der Kriegsgerichtsakte von Schulz aus dem Bundesarchiv.
Sehr authentisch erzählt Winter die Lebensgeschichte der Familie Stein, zu der Mutter Hilda, Vater Leopold und die drei Schwestern Ilses gehören. Ungeschminkt berichtet Winter seinen Zuhörern vom ersten Boykott im April 1933 in Geiß-Nidda/Vogelsberg, wo die Familie lebte, und spannt den Bogen bis zur Räumung des Minsker Ghettos. Zwar überlebt Ilse Stein den Holocaust, verliert ihren Retter, den Hauptmann, jedoch nach ihrer Flucht aus dem Ghetto für immer. Dazwischen liegen für die Familie unzählige Lebensstationen voller Entsetzen, Trauer und Qual. Die Familie Stein wird 1941 mit vielen anderen jüdischen Familien aus der Wetterau in das Ghetto Mink in Weißrussland deportiert“, so Winter. Dort begegnet die 18-jährige Ilse Stein dem 41-jährigen Willi Schulz.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die Hasstiraden auf die Juden bereits im März 1933 nach der Machtergreifung begannen und nicht nur während des Krieges existierten. (gia)