Am 31. Oktober ist Reformationstag, und so möchte ich heute auf einen Grundgedanken Martin Luthers zu sprechen kommen.
Jesus sagt im Johannesevangelium (Kapitel 15, Vers 9): So, wie Gott, da er allen nah sein will, mich liebt, so liebe ich euch. Können wir diese Liebe Gottes spüren, oder sind wir vielmehr gefangen in der alten Frage: Was muss ich tun, damit es mir gut geht, damit ich Gottes Liebe spüren kann, damit ich getragen und entlastet durch mein Leben gehen kann? Martin Luther ist an dieser Frage fast verzweifelt. Er hat sie so formuliert: Wie kann ich Gott gnädig stimmen? Was muss ich tun, damit Gott mir freundlich gesinnt ist?
Hinter diesen Fragen und Zweifeln scheint mir folgende Grundeinstellung zu stehen, das Motto: Von nichts kommt nichts. Erst muss ich etwas tun, dann ergeben sich Folgen. Wenn ich mein Arbeitszimmer nicht aufräume, sitze ich im Chaos. – Wenn ich die Hausaufgaben nicht mache, komme ich in der Schule nicht mit. – Wenn ich nur abweisend zu anderen bin, finde ich keine Freundinnen oder Freunde. Von nichts kommt nichts. Und dieser fordernde, unter Druck setzende Spruch hört auch bei der Liebe nicht auf. Ein Kind, das nicht geliebt wurde, kann im Leben kaum Liebe weitergeben. Von nichts kommt nichts.
Jesu Aussage „So, wie Gott, da er allen nah sein will, mich liebt, so liebe ich euch“ bietet die Chance, an einer Stelle aus dem Nichts auszusteigen. Von nichts kommt nichts. – ja einiges hat Voraussetzungen im Leben – auch das Gefühl, ob jemand einen Grund unter den Füßen spürt oder bodenlos fällt. Aber Gott macht eben immer wieder einen Anfang, baut den Boden, so dass kein Mensch sein Leben auf dem Nichts aufbauen muss.
Der Text will einschärfen und tief in Gedächtnis und Herz prägen, woher alles kommt: Von Gottes Liebe. Das ist der Boden, von dem alles ausgeht. Von da aus gibt es kein Nichts. Von Nichts kommt nichts – aus Gottes Liebe kommt alles. Die Liebe Jesu zu uns und damit der Grund unter den Füßen, ein Grund, unter den keiner zurückfallen kann – auch nicht in der schwersten Krise.
Das war auch die Erkenntnis, die Luther befreit aufatmen ließ, als er danach suchte, was er tun muss, damit Gott ihm gnädig gesinnt ist – die Erkenntnis: Gott ist bereits gnädig. Der Grund ist schon gelegt. So konnte Luther befreit aufatmen. Luther hatte begriffen und konnte es im Glauben annehmen: Ich muss nicht bei Gott Punkte sammeln und bei Null anfangen, so wie das bei Rabatt-Märkchen im Geschäft ist. Keine und keiner muss bei Gott Punkte sammeln und bei Null anfangen. Gott hat auf unser Rabatt-Heftchen, auf unser Konto schon sehr viel positiv für uns angeschrieben. Auch wenn wir Menschen um die Einzelheiten des Lebens ringen müssen, um Gottes Liebe müssen wir nicht kämpfen. Die müssen wir nicht erarbeiten. Gottes Liebe kommt nicht durch uns aus dem Nichts, sondern Gott hat sich entschieden, jedem Menschen seine Liebe zu schenken.
Pfarrerin Dr. Irene Dannemann,
Ev. Heilig-Geist-Gemeinde
Bad Vilbel – Heilsberg