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Auf Wohnungssuche

Flüchtlingsverein will anerkannten Asylbewerbern mit neuer Idee eine Unterkunft vermitteln

Basteln und helfen, wo es geht: Housam Al Hag Bakkar will raus aus der Gemeinschaftsunterkunft im Riedweg. Foto: Kopp
Basteln und helfen, wo es geht: Housam Al Hag Bakkar will raus aus der Gemeinschaftsunterkunft im Riedweg. Foto: Kopp

Noch immer sind die Flüchtlingsunterkünfte in Bad Vilbel gut gefüllt. Der Flüchtlingshilfeverein, der sich in jüngster Zeit von der Stadt im Stich gelassen fühlte, sucht deswegen nach neuen Wegen, um anerkannte Flüchtlinge privat unterzubringen. Er greift dabei auf Ideen zurück, die bereits in anderen Bereichen gut funktioniert haben.

Bad Vilbel. Rund 420 Flüchtlinge leben derzeit laut Angelika Ungerer, der Vorsitzenden des Flüchtlingshilfevereins Bad Vilbel, in der Stadt. In den vergangenen Monaten war die Situation relativ stabil, doch nun erwartet Ungerer neue Geflüchtete. So würden nun sogar Kurden aus der Türkei erwartet.

Doch das Problem ist, dass viele anerkannte Flüchtlinge keine Privatwohnung finden. Denn die sind entweder zu teuer, um über das staatliche Wohngeld bezahlt zu werden, oder potenzielle Vermieter sträubten sich angesichts dieser finanziellen Situation.

„Die Resonanz auf Vermittlungsversuche, etwa bei der Seniorenmesse im Mai, war nahezu Null“, bedauert Ungerer. Jetzt will sie es mit einer neuen Idee versuchen, die bereits bei Studenten gut funktioniere. So sollen Flüchtlinge vornehmlich bei älteren Menschen einziehen und dafür im Haushalt helfen und für Gespräche zur Verfügung stehen.

Auf eigene Faust

„Es kann sich um Einliegerwohnungen, Appartements oder auch freie Zimmer innerhalb der Wohnung handeln“, sagt Ungerer. Ein anerkannter alleinstehender Flüchtling erhält rund 360 Euro Wohngeld im Monat. Zusätzlich würde mit den Vermietern ein Abkommen getroffen, das etwa pro Quadratmeter Wohnfläche eine Stunde Hilfe pro Monat in Aussicht stellt. In den Niederlanden wird dies gerade in Seniorenheimen ausprobiert, wo Studenten den Bewohnern nicht nur helfen, sondern ihnen auch für Gespräche zur Verfügung stehen.

Eine Situation, die sich Housam Al Hag Bakkar gut vorstellen kann. Er ist zwar kein Handwerker, aber er will zielstrebig zu einem neuen Leben in Deutschland finden. Als einziger von acht Geschwistern wagte er 2015 die Flucht aus Syrien, kam über die Balkanroute nach Deutschland, lebte zunächst in der Sammelunterkunft im Georg-Muth-Haus auf dem Heilsberg, jetzt in der früheren Geschäftsstelle des Hessischen Turnerverbandes im Riedweg. Seine Familie wird jedoch nicht nachkommen, davon ist er überzeugt.

Bakkar (23) spricht schon sehr gut Deutsch auf dem Level B1, hat sich dabei nicht auf Vermittlung verlassen, sondern sich selbst auf die Suche begeben und an der Goethe-Uni in Frankfurt Kurse gefunden. Derzeit lernt er für den Abschluss B2. „Ich möchte Jura studieren, habe bereits zwei Jahre in Syrien studiert“, sagt er. Sein Aufnahmeantrag wurde im vergangenen Jahr noch von der Goethe-Uni abgelehnt, er hofft nun auf eine Zusage im September. Nebenbei arbeitet er in Teilzeit für einen Sicherheitsdienst im Mainzer Fußballstadion. Er ist bereit, alle ihm möglichen Aufgaben in einem Privathaushalt zu erledigen: „Ich kann Sachen tragen, Lampen wechseln und auch schrauben und Dinge reparieren“, sagt er.

Vor allem ältere Menschen, die in Bad Vilbel und Umgebung keine Familie haben, sollen dadurch angesprochen werden. „Wir haben etwa 15 bis 20 dieser jungen Männer, die wir gerne auf diese Art unterbringen würden“, schildert Ungerer.

Das Zusammenleben ist natürlich nicht immer einfach. „Wir hatten zum Beispiel bereits Kontakt mit einer 80-jährigen Frau. Doch die Vermittlung scheiterte daran, dass der junge Bewerber etwa nicht die Küche mitbenutzen sollte. „Wir bieten vorher Gespräche an, um nicht nur den Kontakt herzustellen, sondern auch zu klären, wie sich beide das Zusammenleben vorstellen können“, sagt Ungerer.

Doch die Hemmnisse zu überwinden, ist schwer. So berichtet Ungerer von einem Geflüchteten, der bereits 51 Wohnungsbesichtigungen hinter sich hat. „Die Kombination Geflüchteter und Bezahlung über das Jobcenter macht es schwer“, weiß Ungerer aus inzwischen leidvoller Erfahrung.

Sie will weiter für ihr Projekt werben, hat die Arbeiterwohlfahrt, die Nachbarschaftshilfe und auch die Kirchengemeinden kontaktiert. Die Kirchen allerdings blieben dem Treffen fern, bedauert sie. Auch bei Haus und Grund und einer Seniorenfeier der CDU hat sie bereits vorgesprochen. Den Seniorenbeirat will sie nach dessen Neuwahl kontaktieren.

120 anerkannte Flüchtlinge leben in Bad Vilbel, fast alle noch in den Gemeinschaftsunterkünften. „Das muss sich ändern“, sagt Ungerer. Denn um voranzukommen, braucht es Ruhe, die in einer großen Unterkunft wie im Riedweg nicht zu bekommen ist.

Wer kann Projekt unterstützen?


Wer sich für das Projekt interessiert oder Wohnraum anbieten möchte, kann sich mit Angelika Ungerer unter Telefon (01 70) 4 80 56 70 in Verbindung setzen. Informationen gibt es online unter fluechtlingshilfe-badvilbel.de. (kop)