Karben. Wolfhart Moltrecht (82) und seine Frau Thea (81) aus Okarben feierten am Silvestertag ihre diamantene Hochzeit. Vor sechzig Jahren, an Silvester 1946, gab sich das Paar auf dem Standesamt in Berlin-Schöneberg und dann in der neuapostolischen Kirche das Ja-Wort. „Wir hatten für unsere Trauung alles geliehen“, erinnert sich Thea, geborene Knuth, an die schwere Zeit. „Ich das weiße Brautkleid mit Schleier, mein Mann den schwarzen Anzug, schwarze Schuhe und das weiße Hemd. Wir hatten nichts Eigenes zum Anziehen, aber das war nicht wichtig, denn wir haben den Krieg überlebt.“
In der neuapostolischen Kirche wird auch nach 60 Jahren wieder gefeiert, diesmal in Bad Homburg. Mit dabei sind Tochter Jutta mit Mann, die Enkel Stefan, Gerrit und Björn mit Partnern und fünf Ur-Enkel. Kennengelernt haben sich die beiden Berliner bei der damaligen Flammer Lebensversicherung – denn beide sind Versicherungskaufleute. Thea bewarb sich um eine Lehrstelle und wartete auf ihr Vorstellungsgespräch, als sie zum ersten Mal ihren späteren Mann sah. Wolfhart war bereits im zweiten Lehrjahr, sah die blonde, junge Frau beim Vorbeigehen auf einem der Besucherstühle sitzen. „Um Eindruck zu schinden, bin ich mehrmals mit ,wichtigen Akten‘ an ihr vorbei gelaufen“, erinnert sich der Diamantbräutigam lächelnd. Im Zweiten Weltkrieg verschlug es ihn als Funker an die Ostfront. Am 23. März 1944 schloss das Paar eine Fernverlobung: Thea unterzeichnete eine Urkunde vor dem Standesbeamten in Schöneberg, Wolfhart vor seinem Oberst in Russland.
Wolfhart geriet noch während des Krieges in Gefangenschaft, überlebte trotz Beinbruchs drei Lageraufenthalte. Seinen kostbarsten Besitz aus Kriegs- und Gefangenentagen trug er in einem kleinen Lederetui stets bei sich und hat ihn auch heute immer griffbereit: den letzten Brief seiner Verlobten mit der Nummer 170 vom 15. April 1945, ein Passbild von ihr und ein kleiner, karierter Zettel, auf dem er mit Bleistift Zeiten und Stationen seiner Gefangenschaft notierte. Im August 1946 kam er aus russischer Kriegsgefangenschaft frei, fand in Berlin seine Verlobte wieder. Die hatte während des Krieges zunächst ihre Versicherungskunden betreut, später klopfte sie Steine. „Wegen der Blockade gab es kaum Nahrungsmittel“, erinnert sie sich. „Wir haben unsere im September 1947 geborene Tochter mit Trockenmilch groß gezogen.“ Durch Fusionen der Arbeitgeber verschlug es die Familie erst nach Hannover, dann nach Frankfurt. Seit 26 Jahren wohnen die Moltrechts in Okarben im eigenen Haus. Thea Moltrecht war bis 1974 berufstätig, ihr Mann bis zu seinem 63. Lebensjahr. Seit seine Frau mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat, kümmert er sich um die Hausarbeit.