Karben. Zehntausende Liter Wasser und Schlamm in Kellern und Wohnungen – was die Anwohner im Klein-Karbener Tannenweg Ende Mai und Anfang Juni erlebten, war für sie wie die persönliche Apokalypse. Zweimal binnen fünf Tagen hatten Schlammlawinen von den rückwärtigen Feldern die Straßen, Gärten und Teile der Wohnungen überschwemmt. Die Schäden liegen weit in den Hunderttausenden. Die Stadt hat nun ein Fachbüro beauftragt zu überprüfen, wo so viel Wasser herkam und wie Klein-Karben geschützt werden kann.
„Schauen Sie sich das mal an.“ Ulrich Güldenpenning geht in die Hocke, zeigt auf ein winziges Mäuerchen. Ein Dutzend Augenpaare folgen ihm. „Das stand einmal 40 Zentimeter hoch hinaus.“ Auf der Rückseite der Tannenweg-Grundstücke sind an diesem frühen Mittwochabend die Mitglieder des Klein-Karbener Ortsbeirates auf Spurensuche. Wie konnte es dazu kommen, dass zwei Schlammlawinen mit solcher Wucht in den Ort schossen?
Einen Grund finden sie an den Einfriedungen der Grundstücke, die allesamt kaum mehr vorhanden sind. Über Jahre und Jahrzehnte häuften sich dort Erde und Geröll an. Bis nun die jüngste Flut ungehindert über die Reste der Mäuerchen hinwegfluten konnte. „Wir hatten 60 000 Liter Wasser und Schlamm im Keller“, berichtet Güldenpenning. Er ist Bauingenieur, kennt sich aus. „Von so etwas wird man verrückt“, sagt er. Bei jedem Regen in den Wochen nach den Überflutungen habe seine Frau Waldtraud jedes Mal sofort nachgeschaut. Auch nachts.
„Da hätte man wohl vorher mal die Erde wegmachen müssen“, sagt Landwirt Thomas Weber. Seine Äcker und die von Klaus Gepp liegen oberhalb der Wohnbebauung. Von ihnen floss der Schlamm in die Gärten und Häuser, weshalb viele Anwohner sofort auf die Bauern schimpften. Wogegen sich die beiden heftig wehren. Schließlich seien die Wassermassen bereits von oberhalb auf ihre Äcker geströmt. Das bestätigt Ortsbeirat Rainer Züsch (SPD). „Ich bin mit dem Fahrrad sofort hochgefahren und habe geschaut, wo das Wasser herkam.“ Schon über die Pferdekoppel und die drei Hektar große Obstplantage sei es von noch weiter oberhalb, vom Wald her, geflossen.
„Aber die Pflanzreihe verlief ja vertikal, da schossen lauter kleine Bäche direkt auf uns zu“, hält Güldenpenning dagegen. „Glauben Sie etwa, eine andere Ausrichtung hätte diese Wassermassen irgendwie stoppen können?“ Da kann Landwirt Gepp nur den Kopf schütteln. Zeigt die freien Stellen auf seinem Feld, wo die Flut die jungen Rübenpflanzen mitriss. Die Landwirte, sie sind wohl ebenfalls Opfer der Wasserfluten.
Als Sofortmaßnahme hat die Stadt inzwischen einen 30 bis 50 Zentimeter hohen Erddamm zwischen Feld und dem Weg entlang der Grundstücke aufschütten lassen. „Wenn es Sinn macht“, solle dort eine 50 Meter breite Feldholzinsel mit Gebüsch und Rosen entstehen, um künftige Flutwellen aufzuhalten, kündigt Stadtrat Jochen Schmitt (SPD) an. Was bei Anwohnern wie Landwirten auf Skepsis stößt. „Wie soll das denn solche Wassermassen aufhalten können?“, fragt sich Landwirt Weber. Viel besser sei es doch, kristallisiert sich als Meinung der Ortsbeiratsmitglieder heraus, die Fluten gleich beim Entstehen zu stoppen. Denn früher einmal hätten Gräben das Wasser abgeleitet und in die Kanalisation geführt. Die aber habe die Stadt schon seit Jahren nicht mehr geräumt. „Wir Landwirte weisen jedes Jahr darauf hin“, erinnert Gepp. „Aber es tut sich nichts.“
Deshalb ist für Ortsvorsteher Rainer Wortmann (CDU) klar: „Wir müssen nun erstmal die Ergebnisse des Ingenieurbüros abwarten.“ In der Zwischenzeit aber, so fordert der Ortsbeirat, sollten die Gräben freigeschnitten, die Abwasserrohre – besonders der im Selzerbachweg – gesäubert und überprüft werden.