Beim Festakt im Kultur- und Sportforum gab es auch einen Einblick in die Wetterauer Agrargeschichte, die ohne die Anlage von Streuobstwiesen in vielen Ortsrandlagen heute nicht denkbar ist. Das Jubiläum der Obstbaugruppe spiegelt nicht nur ein Stück Dortelweiler Lokalgeschichte.
Bad Vilbel. Matthias Schäfer, Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins Wetterau, hob in seinem Grußwort den hohen Stellenwert der noch vorhandenen heimischen Obstkulturen hervor. „Erzeugnisse und die Wertschöpfung aus der Region sind wieder gefragt“, sagte er. Kritisch sein Einwand zur globalen Lebensmittelproduktion: „Diese Globalisierung verdrängt die heimischen Erzeuger.“ Des Weiteren seien die Erzeugerstandards regionaler Produkte nicht vergleichbar mit den oft niedrigen Standards im Welthandel. Schäfer: „Unsere Obstbauvereine legen heute Wert auf einen integrierten Pflanzenschutz unter Beachtung der Interessen des Naturschutzes und der Landschaftspflege.“ Ein Beitrag nicht nur zum Erhalt der biologischen Vielfalt der Streuobstwiesen. Auch stehe die Ernährungssicherheit als Kulturprodukt im Mittelpunkt des Obstanbaues, so Schäfer weiter.
Butzbacher Wurzeln
Die Wurzeln der Dortelweiler Obstbaugruppe liegen in Butzbach. Dort wurde 1889 der „Wetterauer Obstbauverein“ ins Leben gerufen. Noch im selben Jahr gründete Bürgermeister Friedrich Hensel in Dortelweil eine dem Wetterauer Verein angegliederte Gruppe. Um die Jahrhundertwende zählte man bereits rund 30 Mitglieder bei nur 550 Einwohnern. Gepflanzt wurden 3693 Apfel-, 402 Birnbäume, 1519 Steinobstbäume und 16 Walnussbäume.
Nach Bürgermeister Hensel führte sein Amtsnachfolger Heinrich Schäfer bis 1924 die Vereinsgeschäfte, danach bis 1959 der Landwirt Philipp Jakob. In den darauf folgenden Jahren kam das Vereinsleben zum Erliegen. Neue EU-Verordnungen und die Agrarreformen, die Schaffung von Neubaugebieten in Dortelweil und die Umgestaltung der Nutzgärten in moderne Grünflächen mit Nadelgehölzen dezimierten die einst reichen Obstbaumbestände in Dortelweil. 1990 waren nur noch 15 Prozent der alten Obstbäume vorhanden.
Wie nach Bomben
Mit Heinz Wagner, Johannes Holtappels, Norbert Hensel und Robert Albert wurde 1993 die Obstbaugruppe wiederbelebt. Eine 1334 Quadratmeter große Streuobstwiese mit 77 Obstbäumen unterschiedlicher Sorten auf städtischem Pachtgrund entstand zwischen den Bahnanlagen und dem Niddabogen. Diese neu geschaffene Streuobstwiese dient zugleich als Lehrgarten, in dem Schnittkurse zur Pflege und Kultivierung des Obstanbaues durchgeführt werden.
Vereinsvorsitzender Robert Albert erinnerte an den Neuanfang in Dortelweil. Nach den Gebiets- und Agrarreformen in den 60er- und 70er-Jahren habe es auch in Dortelweil teils „wie nach einem Bombenangriff“ ausgesehen. Baumstümpfe und Wurzelstrünke seien das bestimmende Bild alter Streuobstwiesen gewesen.
Nachwuchs fehlt
Albert: „Die maschinengerechte Landwirtschaft hat damals dem Obstanbau den Rest gegeben.“ Umso erfreulicher die heutige Situation. Nicht zuletzt sei dies dem wachsenden Umweltbewusstsein geschuldet, dem sich Dortelweiler Obstanbauer verpflichtet fühlten.
Gegenwärtig zählt der Verein mit den weiteren Vorstandsmitgliedern Friedrich und Helga Lutz sowie Lothar Schäfer 60 Mitglieder. Wenn auch die Vereinsarbeit eine hohe Anerkennung erfahre, so fehle es doch an Nachwuchs, klagte Albert. Der Vorsitzende des Landesverbandes Hessen für Obstbau, Garten- und Landschaftspflege, Kurt Kunz, lobte das Engagement der Dortelweiler Obstbaugruppe. Eine besondere Ehrung wurde der Kassenwartin des Vereins, Helga Lutz, zuteil. Kunz überreichte ihr die silberne Ehrennadel des Landesverbandes.
Rund 150 Gäste waren der Einladung zum Festakt ins Kultur- und Sportforum gefolgt. Durch das Programm führte Erika Steinmetz. Für heitere Programmeinlagen sorgte Marianne Boss aus Frankfurt, die als Frau Rauscher Gedichte rund um den Apfel vortrug.