Die Bibel immer wieder mal zur Hand zu nehmen – das lohnt sich. Unbekannte Texte entdecken, Altbekanntes neu lesen und Inspiration für die kommende Zeit erhalten. Das tut auch „alten Hasen“ gut, die das Buch der Bücher schon lange kennen.
Ich selbst habe in diesen Tagen zur Vorbereitung einer Kinderfreizeit einen Text aus dem Alten Testament wiederentdeckt, der in unseren Gottesdiensten (leider) in der Regel nicht vorkommt. Das Buch Esther berichtet von einer jungen Frau in einer Zeit, in der sie wie viele Juden in der Fremde lebte. Esther ist wunderschön, und als der Perser-König Xerxes eine neue Frau sucht, fällt die Wahl auf sie.
Aber sie und ihr Volk haben nicht nur Freunde. Der erste Minister des Reiches, Haman, trachtet den Juden nach dem Leben. Warum? Weil sie ihn nicht durch eine Verneigung ehren. Stattdessen wollen sie nur ihrem Gott die Ehre geben. Kurzerhand plant Haman einen Pogrom, bei dem sie alle getötet werden sollen.
Als Esther von dem Unheil erfährt, ist sie zwiegespalten: Soll sie es wagen, ungefragt zum König zu gehen – auf die Gefahr hin, deshalb getötet zu werden? Oder ist ohnehin alles zu spät und die Bedrohten müssen sich ihrem Schicksal fügen? Esther traut sich zu handeln und zu reden und wird vom König angehört. Als sie dem König von dem Komplott berichtet, werden sie und ihr Volk gerettet, Haman wird bestraft.
Am Ende wird der Sieg über das Böse gefeiert. Die Frage aber bleibt: Wer ist der Retter? Esther, der König – oder Gott? Erstaunlicherweise wird in der Esther-Geschichte im Alten Testament nie von Gott selbst gesprochen. Für die Leser bleibt es deshalb offen: War alles nur Zufall? Oder gibt es jemanden, der geholfen, der die Fäden gezogen hat?
Diese Frage gilt nicht nur für Esther, sondern für jedes Leben. Auch für meines. Wenn ich auf die vergangenen Wochen, Monate und Jahre schaue, sehe ich immer wieder mal Angst, mancherlei Bedrohung, aber meistens auch glückliche Fügung, Rettung aus misslicher Lage. War das alles nur Zufall? Oder hat da jemand geholfen, die Fäden gezogen?
Vielleicht geht es Ihnen beim Blick zurück ganz ähnlich. Mir hilft das Vertrauen darauf, dass Gott auch in schwierigen Zeiten die Fäden in der Hand hatte, um gelassen in die Zukunft zu gehen. Diese Botschaft aus den verborgenen Teilen der Bibel tut auch mir als „altem Hasen“ gut. Und sie motiviert mich, das Buch der Bücher auch morgen wieder in die Hand zu nehmen, unbekannte Texte zu entdecken, Altbekanntes neu zu lesen und Inspiration für die kommende Zeit zu erhalten. Es lohnt sich!
Ihr Pfarrer Ingo Schütz
Ev. Christuskirchengemeinde Bad Vilbel