Veröffentlicht am

Acht Gräber und ein Brunnen

Die Arbeiten auf dem Gelände Am Warthweg laufen seit mehr als einem Jahr. Dass es sich hier um eine reiche Archäologielandschaft handelt, ist seit vielen Jahren klar. Das haben alte Ausgrabungen gezeigt. Foto: WiBA GmbH – Wissenschaftliche Baugrund-Archäologie/Archiv
Die Arbeiten auf dem Gelände Am Warthweg laufen seit mehr als einem Jahr. Dass es sich hier um eine reiche Archäologielandschaft handelt, ist seit vielen Jahren klar. Das haben alte Ausgrabungen gezeigt. Foto: WiBA GmbH – Wissenschaftliche Baugrund-Archäologie/Archiv

Karben. Das Gewerbegebiet »Am Warthweg« in Karben präsentiert sich als Füllhorn der Geschichte. Bei Ausgrabungen sind über 7000 Jahre alte Siedlungsreste der ersten Ackerbauern und Viehzüchter in der Wetterau gefunden worden. Einen echten Höhepunkt stellt aber etwas anderes dar, wie Kreisarchäologe Dr. Jörg Lindenthal informiert.
Wenn in Karben Ausgrabungen laufen, dann ist meist eines sicher: Gefunden wird etwas ganz Besonderes. Okarben nimmt aus archäologischer Sicht eine absolute Ausnahmestellung ein. Römische Kavallerie war in den Jahren 69 bis 117 nach Christus in einem Großkastell untergebracht – genau dort, wo sich heute der Okarbener Ortskern erstreckt. In Petterweil sind im vergangenen Jahr Teile der mittelalterlichen Ortsbefestigung entdeckt worden.
Grabungen bestätigen
die Vermutungen

Seit 2022 laufen nun die umfangreichen Untersuchungen in den Erweiterungsflächen des Gewerbegebietes »Am Warthweg«. Schon durch Grabungen aus den 1980er Jahren und weiteren Untersuchungen im Zuge des Ausbaues der Nordumgehung Karben in den Jahren 2014 und 2016 sei klar, in welcher reichen »Archäologie-Landschaft« man sich bewege, teilt Kreisarchäologe Dr. Jörg Lindenthal mit.
Diese Vermutung wurde durch die im Vorfeld der Grabungsarbeiten vorgenommenen geophysikalischen Untersuchungen »eindrucksvoll bestätigt.« Mithilfe der sogenannten »Geomagnetik« könne man zerstörungsfrei unter günstigen Bedingungen anhand von feinsten Abweichungen im Magnetfeld beispielsweise Gruben und Gräben erkennen, die anhand ihrer Ausprägung im Messbild, ihrer Form oder Verteilung als durch den Menschen verursachte Bodeneingriffe zu deuten sind.
Ein zeitliches oder funktionales Ansehen ist in der Regel dann – wie im Fall vom Gewerbegebiet – nur durch die folgenden Ausgrabungen auf dem insgesamt 8,8 Hektar großen Gebiet möglich. Die frühesten Funde auf dem Gelände stammen aus der »Älteren Jungsteinzeit«, erklärt Lindenthal.
»Es handelt sich hierbei um über 7000 Jahre alte Siedlungsreste der ersten Ackerbauern und Viehzüchter in der Wetterau«, sagt der Kreisarchäologe. »Ein echtes Highlight bilden im Untersuchungsgebiet aber zahlreiche endneolithische Bestattungen. Diese werden im ›Normalfall‹ nur einzeln oder in kleinsten Gruppen angetroffen.«
Aus diesem Grund würden sie in der älteren Forschung auch als »Einzelgrabkultur« bezeichnet. »Mit bisher insgesamt acht Gräbern bilden die aktuellen Untersuchungen in Karben einen wichtigen Beitrag für die Erforschung des Endneolithikums in Hessen.«
Ebenfalls wichtig ist die weitere Erforschung eines großen wohl frühkaiserzeitlichen römischen Marschlagers, das bereits während der Untersuchung zur Nordumgehung entdeckt wurde, bisher aber noch nicht datiert werden konnte. In Kombination von gezielt angelegten Schnitten und den Ergebnissen der Geomagnetik konnte der weitere Verlauf der bereits 2014 entdeckten Spitzgräben verfolgt werden. Mit den nun nachgewiesenen Grabenlängen von 310 mal 440 Metern ergibt sich eine Lagergröße von mindestens 13,6 Hektar.
»Es verdeutlicht die Bedeutung Okarbens als Rastplatz während der Germanenkriege«, sagt Lindenthal. Unter weiteren römischen Strukturen, die wohl einer ländlichen Siedlung aus der mittleren Kaiserzeit zuzuweisen sind, sei vor allem der Fund eines römischen Fassbrunnens hervorzuheben. Dieser ist genau dort entdeckt worden, wo das Umfeld durch viel mehr Bodenfeuchte auffiel, was aber auch zur Folge hatte, dass dieser Brunnen so gut erhalten war. »So konnten die untere Hälfte des römischen Holzfasses sowie organische Proben, darunter bearbeitete und unbearbeitete Holzreste sowie Tierknochen, Reste von Insekten, Gräsern und Samen, für spätere Untersuchungen geborgen werden«, erklärt Lindenthal.
Knochenkamm
und Glasperlen

Ebenfalls wichtig sind spätantike Siedlungsstrukturen, die bisher vor allem im nordöstlichen Teil der Flächen, die untersucht werden, aufgedeckt werden konnten. Zahlreiche Pfostenstellungen sind hier einer kleinen Siedlung beziehungsweise eines Hofplatzes zuzuordnen, der aus der Zeit der Alamannen, dem 5. Jahrhundert nach Christus stammt. Auch für das ebenfalls bekannte Gräberfeld der nachfolgenden Merowingerzeit aus dem 6./7. Jahrhundert n. Chr. konnten überraschende neue Erkenntnisse gewonnen werden, informiert der Fachmann.
So zeigte sich durch den Fund von drei neuen Gräbern, dass die ursprüngliche Ausdehnung nach Süden wesentlich größer als bisher angenommen war. Kreisarchäologe Jörg Lindenthal erklärt dazu: »Die schon im Frühmittelalter teils beraubten Gräber enthielten noch zahlreiche zurückgelassene Grabbeigaben, unter anderem eine Lanzenspitze, einen Schildbuckel, einen Knochenkamm und Glasperlen.« VON JÜRGEN SCHENK UND PATRICK EICKHOFF