Karben. Wenn es um ein Gesprächsangebot für psychisch Kranke geht, fällt vielen in Karben vor allem eins ein: der »Blickpunkt«. Seit zwei Jahrzehnten hat sich das Angebot zu einem festen Bestandteil der Prävention und der Nachsorge etabliert. Dafür steht ein Name: Elke Wojnar. Jetzt hört die 80-Jährige auf. Ein Blick zurück.
»Das Projekt ist mir schon eine Herzensangelegenheit.« Das sagt Elke Wojnar über den »Blickpunkt«. Das ist der offene Gesprächskreis für psychisch kranke Menschen, der seit mittlerweile 20 Jahren besteht. Gegründet und geleitet hat ihn Elke Wojnar. Die Frau ist vom Fach und weiß, worüber sie spricht. Die Diplom-Sozialarbeiterin hat lange Jahre in Frankfurt mit psychisch kranken Menschen gearbeitet.
Als sie selber krankheitsbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden musste, hat sie in Karben nach einem niederschwelligen Angebot für psychisch kranke Menschen gesucht – und es nicht gefunden. Sie ging mit ihrem Anliegen, einen solchen Gesprächskreis initiieren zu wollen, zum damaligen Bürgermeister und stieß auf offene Ohren. Die Stadt stellte den Raum zur Verfügung, was bis heute so ist. Und Elke Wojnar bietet jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat psychisch kranken Menschen eine Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen.
»Anfangs sind zumeist Karbenerinnen und Karbener gekommen, jetzt hat sich das Angebot so weit herumgesprochen, dass auch Menschen aus Friedberg, Florstadt, Friedrichsdorf und Schöneck zu uns kommen. Das Besondere bei uns ist die Zwanglosigkeit«, sagt die mittlerweile 80-Jährige. Sie legt Wert darauf, dass das kein institutionelles Angebot sei.
Menschen sprechen über ihre Probleme
Wenn der Zwang wegfällt, öffnen sich die Menschen, weiß sie aus Erfahrung. Und noch etwas trägt dazu bei: Entspannungsübungen. Die gehören mit zu dem Angebot. Entspannte Menschen seien eher bereit, über ihre Probleme zu reden. Die während der Abende angesprochenen Probleme seien vielfältig. Sie reichen laut Wojnar von Angststörungen bis hin zu Mobbing am Arbeitsplatz. Depressionen seien häufig gewesen.
Der Gesprächskreis, »offener Treff« genannt, sei ein Projekt zur Stabilisierung psychisch kranker Menschen, sagt Wojnar. Sie kann aus den zwei Jahrzehnten eine positive Bilanz ziehen. Anfangs habe es zwar eine große Fluktuation gegeben, eine Zeit lang seien für sie überraschend auch mehr Männer als Frauen gekommen. »Aber jetzt ist das ganz gemischt«, sagt sie. Der Gesprächskreis habe sich etabliert, sei eine feste Größe in der Prävention und der Nachsorge geworden.
»Ich gehe mit einem weinenden Auge. Aber ich muss nun an meine eigene Gesundheit denken.« Doch sie gehe auch überglücklich, »denn schließlich habe ich eine Nachfolgerin gefunden, die das Projekt weiterführen will«. Den Namen will Elke Wojnar noch nicht verraten, nur so viel: Die Frau stamme aus Karben, sei rund 50 Jahre alt und berufstätig. »Sie hat mich während meiner Abwesenheit vertreten.« Wojnar bezeichnet ihre Nachfolgerin als »sehr authentisch« und: »Sie kann gut zuhören«.
Am Dienstagabend hat sich Elke Wojnar von »ihren« Treff-Teilnehmerinnen und Teilnehmern verabschiedet. »Da kam sogar ein Ehemaliger und hat sich mit Blumen und einer Karte bedankt.«
Am vergangenen Samstag fand im großen Saal des Bürgerzentrums eine kleine Feier anlässlich des 20-Jährigen Bestehens statt des Blickpunkt-Treffs statt.
Von Holger Pegelow