Dennis DiRienzo erweist sich in der Interview-Reihe der Bürgeraktive als kurzweiliger Geschichtenerzähler. Er berichtet von seiner Kindheit in einer armen, aber verschworenen Gastarbeiterfamilie und wie er 1990 als Student das Vilbeler Gemeinwesen zur kulturellen Höchstleistung anspornt.
Bad Vilbel. Bevor es losgeht im Bistro des Hauses der Begegnung, wandern Stühle in den Raum. Fast 90 Besucher warten gespannt darauf, was der Kinomacher, Jahrgang 1962, zu erzählen hat.
Gastgeberin Eva Rabold kommt auf Helden zu sprechen. DiRienzo überrascht sie mit dem Namen Helmut Schmidt. Mit ihm habe er politisches Bewusstsein entwickelt in seiner nordhessischen Heimatstadt Biedenkopf. Dort saß er für die SPD im Stadtparlament, habe sogar eine „atomwaffenfreie Zone“ durchgesetzt, doch „das politische Tagesgeschäft ist nicht schön“, eher intrigant. Auch seine kindliche Leidenschaft, Schlagersänger zu werden, habe er früh aufgegeben.
Eine Frage der Haltung
Die Sozialdemokratie ist für DiRienzo aber keine Frage des Parteibuchs, „das ist eine Haltung“, betont er: „Bürgermeister Günther Biwer war für mich auch ein Sozialdemokrat, er konnte Menschen mit seinem Idealismus anstecken.“
Nach Bad Vilbel kam DiRienzo durch den Frankfurter Studiengang Kulturarbeit in der sozialpädagogischen Praxis. Teil der Diplomarbeit sei gewesen, ein Gemeinwesen „zu kulturellen Höchstleistungen“ zu bringen. DiRienzo mobilisierte 1990 rund 1600 Akteure auf einer 40-Meter-Bühne im Kurpark vor 4000 Zuschauern mit einem dreistündigen Theaterstück, bei dem Biwer gefangengenommen wurde.
So sei eine Freundschaft entstanden. Biwer habe ihn gefragt, was in der Stadt fehle: „Ein Kino“, entgegnete DiRienzo. Er bekam 1990 die sanierte Alte Mühle überlassen. Das kommunale Kino habe 1200 Besucher im Monat, berichtet er. Manchmal setzt es deutschlandweite Trends. Die Komödie „Tatsächlich Liebe“ habe 2003 bundesweit die allermeisten Zuschauer in Vilbel gehabt, bevor sie ein Millionenpublikum fand. In der Mühle läuft sie stets am 23. Dezember. Doch die Programmplanung ist schwieriger geworden. Filmverleiher haben seit 2006 mit dem Beginn der Digitalisierung ihre alten Filmbestände auf Zelluloid einfach entsorgt.
DiRienzo erweist sich auch als begnadeter Erzähler, schildert mit viel Ironie, wie er als Kind eines italienischen Gastarbeiters in einem kleinen nordhessischen Dorf aufwuchs. „Spaghettifresser“ hätten die Kinder gerufen, „dabei gab es bei uns eher Kartoffeln.“ Zudem sei er unehelich geboren worden, in einer Mischehe. Sein katholischer Vater habe erst eine Genehmigung aus Rom besorgen müssen, um seine evangelische Frau zu heiraten.
Als Junge habe er die Ausgrenzung seinem italienischen Vater angelastet, sei als Achtjähriger aus Protest sechs Wochen zu den Großeltern gezogen. Doch trotz aller Konflikte habe die Familie stets eng zusammengehalten, trotz Geldmangel habe es stets Liebe und Zuneigung gegeben.
Auch wenn er sich wieder mal als Dussel benommen habe, erzählt DiRienzo schmunzelnd die Geschichte, wie er in Onkel Wolfgangs Heizöl-Laster den Feuerlöscher auslöste. Seine Kindheit belebt er mit filmreifen Anekdoten; zeigt ein Gemälde mit Kamelen, vor dem sich einst seine Oma in der Wohnküche Geschichten von Abenteuern in fremden Ländern ausgedacht habe. Doch DiRienzo verblüffte die Zuhörer auch mit seinem Bekenntnis zur Bundeswehr. Er war vier Jahre Zeitsoldat, machte dort eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Da ist er nahe am pflichtbewussten Hanseaten Schmidt: „Jeder Mensch sollte ein Jahr lang etwas für unser Land tun – der Staat sind wir“.
Am Montag, 29. Februar, kommen Marit Debé und Annika Küss im HdB zu Wort, beide haben nach dem Abitur ein „Freiwilliges Soziales Jahr“ im Ausland gemacht.