Karben wird weitere sechs Jahre von einem CDU-Bürgermeister regiert. Amtsinhaber Guido Rahn hat seine SPD-Gegenkandidatin haushoch geschlagen – so hoch, dass es selbst den Sieger vollkommen überrascht.
Karben. Am Gesichtsausdruck lässt sich an diesem Abend im großen Saal des Bürgerzentrums einfach ablesen, wer welcher Partei nahe steht. Wenige Mienen sind tief betrübt. Die meisten Menschen aber lachen, unterhalten sich fröhlich. Eine Überraschung elektrisiert sie.
Zum ersten Mal in der Stadtgeschichte hat ein CDU-Bürgermeister sein Amt verteidigt. Und zwar fulminant: Mit 77,8 Prozent der Stimmen liegt Guido Rahn schier unendlich weit vorn. Seine einzige Gegenkandidatin, Susanne Kassold (SPD), hat er deklassiert. Auf schmale 22,2 Prozent kommt sie. Weniger als halb so viel wie SPD-Kandidat Jochen Schmitt vor sechs Jahren gegen Rahn holte.
SPD verantwortlich
„Ich bin überwältigt“, sagt Guido Rahn. „So gut habe ich es nicht erwartet – alles über 60 Prozent wäre topp gewesen.“ Überall werden ihm Hände gereicht. Jeder beglückwünscht den Wahlsieger. Auch schon lange bevor das Endergebnis fest steht. Die Ergebnisse aus den Stadtteilen sind zu deutlich.
In seinem Heimatort Burg-Gräfenrode schrammt Rahn sogar mit nur 0,2 Prozent an den 90 Prozent vorbei – wohlgemerkt mit einer Gegenkandidatin. Selbst Hochburgen der Sozialdemokraten wie Petterweil, in denen SPD-Kandidat Schmitt vor sechs Jahren noch gesiegt hatte, gehen mit riesigem Vorsprung an den Amtsinhaber.
Als diese Zahl gerade auf die Leinwand projiziert wird, kommt Susanne Kassold in den Saal. Ihre Miene versteinert sich. Und sie bleibt so, als ein Wahllokal nach dem anderen einen fulminanten Sieg Rahns meldet. Erst als das finale Ergebnis feststeht, scheint sie gefasst genug zu sein, um zum Wahlsieger zu gehen und ihm zu gratulieren. „Danke für den fairen Wahlkampf“, sagt sie ihm. Er gibt den Dank höflich zurück: „Sie haben sich wirklich stark engagiert und sich intensiv eingearbeitet.“
Auf die Kandidatin aus Frankfurt-Kalbach hatte die Karbener SPD zurückgegriffen, weil sich in den eigenen Reihen kein Rahn-Gegner fand. Das wertete die Partei als Chance, da Kassold unbelastet von 40 Jahren Karbener SPD-Historie habe auftreten können.
„Susanne Kassold hat einen super Job gemacht“, lobt SPD-Vize-Parteichef Thomas Görlich. Aber mit mehr Prozenten habe er gerechnet. Woran liegt’s? „Das müssen wir analysieren.“ Wer ist verantwortlich für das Fiasko? Weder Kassold noch der Parteivorstand, sagt Görlich. „Die gesamte Partei hat sich ja für die Kandidatin entschieden.“
Susanne Kassold selbst wirkt zerknirscht. „Ich bin völlig überrascht“, sagt sie konsterniert. Die positiven Rückmeldungen der Karbener bei den Wahlkampfterminen hätten einen anderen Eindruck über ihre Wahlchancen hinterlassen. Womöglich sei es ein Fehler gewesen, dass sie Themen wie bezahlbares Wohnen „zu früh gesetzt“ habe, schätzt die SPD-Kandidatin. „Das wurde dann vom politischen Gegner aufgegriffen und genutzt.“
Unterschied zu Berlin
Der sieht das anders. „Das ist der verdiente Lohn für Guido Rahns Arbeit“, findet CDU-Parteichef Mario Beck. Die Bürger hätten das verlässliche Vorgehen des Bürgermeisters honoriert. Den Wählern dankt Rahn, dass sie „klug unterschieden haben zwischen Berlin und dem, was wir in Karben machen“. Sein Lächeln weicht einer ernsten Miene: „Das Ergebnis ist eine Bürde.“
Dabei wird das Arbeiten für ihn wohl einfacher: Für die CDU deutet sich eine absolute Mehrheit im Stadtparlament an – gleich die nächste Überraschung des Abends.
Ein solcher Erfolg zieht hochkarätige Gratulanten an: Die CDU-Kreisparteichefin, Hessens Europaministerin Lucia Puttrich, schneit herein. Auch der Wetterauer Bundestagsabgeordnete Oswin Veith (CDU) genießt die Erfolgsstimmung im Bürgerzentrum.
Gut 100 Bürger und Politiker verfolgen hier den Wahlabend. Dass Guido Rahn siegen würde, damit rechneten viele. „Das ist der Dank für die professionelle Arbeit, die er gemacht hat“, sagt Christopher Leidner aus Klein-Karben. „Dass es so deutlich wird, damit hatte ich nicht gerechnet“, sagt Gabriele Davis, die Flüchtlingskoordinatorin im Rathaus. „So etwas habe ich in Karben noch nie erlebt.“ Kurz nach 20 Uhr verlässt Susanne Kassold das Bürgerzentrum. (den)