Da, wo mitunter Leichen liegen, im Keller nämlich, befindet sich unterhalb des neuen Rathauses, Am Sonnenplatz 1, in Dortelweil-West seit kurzem eine wahre Schatztruhe, das Bad Vilbeler Stadtarchiv. Zusammen mit dem schönen, hellen Lese- und Dokumentationssaal im Parterre des Rathauses und mit Blick ins Grüne sowie auf Bad Vilbels ältesten Speierling sind die städtischen Archivalien in drei Kellerräumlichkeiten professionell untergebracht.
Bad Vilbel. Mit dem neuen Stadtarchiv verfügt Bad Vilbel jetzt über ein beispielhaftes kulturgeschichtliches Aushängeschild. Es ist ein vortrefflicher „Beweis für den würdigen Umgang mit der Bad Vilbeler Geschichte“, wie Bürgermeister Thomas Stöhr, bei der Präsentation des Archivs am Donnerstag, 3. März, herausstellte.
Kulturamtsleiter Claus-Günther Kunzmann, der als sachkundiger und als historisch interessierter Vorsitzender des Vereins für Geschichte und Heimatpflege ein Glücksfall für diese Stadt ist, führte die Pressevertreter im Beisein des Bürgermeisters mit angemessenem Stolz durch die Archivräume und gab kenntnisreich Auskunft über die Schätze im Keller.
Was bisher, aufgrund der räumlichen Umstände, zusammengepfercht und teils in Kartons gestapelt war, Akten, die noch unbearbeitet in Schachteln und Ordnern vor sich hindämmerten, stehen nun übersichtlich geordnet und greifbar in den Regalen. Von bisher 300 Regalmeter haben sich die Lagerkapazitäten auf rund 1000 Regalmeter vergrößert, teilweise sogar auf mobilen Regalen, die sich auf Schienen je nach Wunsch verschieben lassen. Und es gibt genügend freien Platz, um bei Bedarf noch weitere Regale aufzustellen.
Detailliert schildert Kunzmann die „logistische Riesenaktion“, womit er den Umzug aus dem Hallenbad, wo sich das Archiv bisher befunden hat, ins jetzige Rathaus meint. Der Umzug ging dank minuziöser Vorbereitung und Planung binnen 14 Tage glatt über die Bühne. Vom Beschluss des Umzuges bis zur Realisierung sind gerade mal drei Monate ins Land gegangen.
Während Pläne gezeichnet und Beraterin Christiane Otto vom staatlichen Archiv Darmstadt konsultiert wurden, haben Mitarbeiter der Stadtwerke Linoleumfußböden verlegt, die mobilen Regale montiert und die Lüftungsanlage auf Vordermann gebracht, so dass jetzt konstante Temperaturen und Luftfeuchtigkeit gesichert sind, was für den einwandfreien Erhalt der Akten, Zeichnungen, Planskizzen, Landkarten, Plakate oder Bilder von eminenter Wichtigkeit ist.
Während Kunzmann die Aufteilung in den Archivräumen erklärte und zeigte, wo die Unterlagen der jeweiligen Stadtteile platziert sind, die Personalakten, auch solche aus der Weimarer Republik und dem Dritten Reich, und die Regalfunktionen erläuterte, wurde klar, dass hier alles Hand und Fuß hat.
Unterlagen über Grundstückgeschäfte, aber auch Akten des Rechnungswesen bis in das frühe 18. Jahrhundert zurück, sind hier zugänglich, der seit 1851 erscheinende „Bad Vilbeler Anzeiger“ im Original und auch auf Mikrofiches ebenso wie Ausgaben des „Oberhessischen Intelligenzblattes“ oder der „Heilsberger Nachrichten“. Alle Personenstands-Urkunden, Geburten, Heiraten, Todesfälle, nicht zuletzt Präsente mit Vilbeler Bezug oder Aufdrucken, zudem Originalpapiere örtlicher Vereine, wie jene des Volkschors oder der Naturfreunden, die der sozialdemokratischen Bewegung nahestanden, kann man hier einsehen. Aber auch einige Geschäftsberichte von Bad Vilbeler Betrieben sowie wichtige Nachlässe, wie jener von Wilhelm Beuler und dem Kriegsverein mit der einzigen Originalskizze zur Anlage des Vilbeler Kurparks und eine reiche Sammlung von Vilbeler Fotographien. Nicht zuletzt befindet sich hier noch eine schöne Sammlung von Bildern des bemerkenswerten Vilbeler Malers Willy Menner (7.04.1913 – 16.01.1989) sowie Unterlagen aus dem Nachlass von Ehrenbürgermeister Erich Glück.
Noch viel Arbeit steht den ehrenamtlichen Helfern bevor, denn die Akten in den Ordnern müssen jetzt „entgrätet“ werden, was bedeutet, dass sämtliche Büroklammern aus Metall und sonstige Metallteile, wie Ordnerschienen, entfernt werden müssen, bevor sie Rostspuren auf den Akten hinterlassen und sie beschädigen.
Ursprünglich hatte man vor gehabt, den Umzug des Stadtarchivs erst Mitte des Jahres anzupeilen, doch der durch die Flüchtlingswelle ausgelöste Raumbedarf, machte es nötig, in einem Parforceritt die Angelegenheit zu bewältigen, damit die alten Räumlichkeiten im Kurmittelhaus für die eventuelle Unterbringung von Flüchtlingen saniert und hergerichtet werden können.
Nach mehreren Umzügen vom ersten Archivstandort im Stadthaus (Friedberger Straße 6) ins Alte Rathaus und von dort ins Kurmittelhaus, hat das Stadtarchiv nun einen festen Platz gefunden.
Und während man Kunzmanns Ausführungen und dem Exkurs in die Vilbeler Geschichte folgt, fällt einem unwillkürlich der französische Staatsmann Charles Maurice de Talleyrand (1754–1838), ein, dem der Ausspruch zugeschrieben wird: „Man muss die Zukunft im Sinn haben und die Vergangenheit in den Akten“. Für die Bürger, die Stadt und die künftigen Generationen ist dieses Archiv ohne Zweifel von unschätzbarem lokalen Wert, kann man dort doch sehen, woher wir kommen, wohin wir gehen.
Die Öffnungszeiten des neuen Archivs will man in den nächsten Tagen festlegen, ein Archivar wird noch gesucht, da der bisherige ehrenamtliche Archivar seine ersprießliche Arbeit nicht mehr weiterführen kann.