Die Burgfestspiele als hessischer „Kulturleuchtturm“ reihen Besucherrekord an Besucherrekord. Mehr als 108.000 Tickets wurden für die Vorstellungen der am Sonntag ausgelaufenen Spielzeit 2015 unter die Leute gebracht. Davon mehr als 103.000 für Auftritte in der Burg – also ohne die Besucher, die zu den zwölf Gastspielen außerhalb der Quellenstadt gekommen waren.
Bad Vilbel. „Es war ein geiler Sommer“, zitierte Intendant Claus-Günther Kunzmann beim Bilanzpressegespräch den Schlusssatz der beiden Jugendlichen aus dem Theaterstück „Tschick“, mit dem am Abend zuvor die Saison beendet wurde. Im Unterschied zu den beiden Theaterfiguren, die nach ihrem Statement wie ohnmächtig nach hinten umfielen, hielt es Kunzmann und auch Bürgermeister Thomas Stöhr auf ihren Stühlen.
Keine Selbstläufer
Die Rekorde der vergangenen Spielzeiten seien keineswegs Selbstläufer gewesen, betonte Stöhr. Alles habe das Festspielteam immer wieder von Neuem erarbeiten müssen. Dabei gab es auch unerwartet auftretende Probleme zu bewältigen. So wie in diesem Sommer als einer der Hauptdarsteller des Musicals „Singin’ in the Rain“ keine Stimme mehr hatte. Bei zwei Vorstellungsterminen wurde dann „Flashdance“ gespielt, bevor nach einer Umbesetzung im Ensemble und entsprechenden Proben wieder Singin’-Auftritte möglich waren.
Dass dies funktionierte, sei natürlich auch dem motivierten Ensemble zu verdanken, ergänzte Intendant Kunzmann. Und der erstaunlich großen Akzeptanz des Publikums, denn nur wenige Zuschauer, die eigentlich für die ausgefallenen Singin’-Vorstellungen Karten gekauft hatten, gaben diese zurück. Der Großteil war zufrieden, quasi außerplanmäßig „Flashdance“ sehen zu können.
Neben der Gesamtbesucherzahl sei auch die relativ gleichmäßige Auslastung bei den vier Eigeninszenierungen im Abendprogramm auffällig, sagte Kunzmann. „Flashdance“ liegt hier sicher auch aufgrund der beiden zusätzlichen Vorstellungen mit 17094 Zuschauern an der Spitze der Rangliste. Dahinter rangieren „Singin’ in the Rain“ mit 14314 Besuchern, Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ mit 13.693 und „Die Päpstin“ mit 12487. Zusammen sahen diese Abendvorstellungen 57589 Theaterfreunde und damit rund viereinhalb Tausend mehr als es bei den vier Hauptproduktionen im Vorjahr der Fall war.
Bei den Stücken für Kinder bzw. für Familien konnte ebenfalls eine Steigerung verzeichnet werden: Knapp viertausend waren es mehr als in der Saison 2014. Für die „Kleine Hexe“ wurden 14544 Tickets verkauft, für „Der Zauberer von Oz“ 14189 und für die Oper „Der fliegende Holländer“ 5743 – macht zusammen 34476 Besucher.
Auch die Kalkulation und Erwartungen für die drei Inszenierungen für das Spätprogramm im Burgkeller „sind super aufgegangen“, stimmen Intendant Kunzmann und Bürgermeister Stöhr überein. Zur Wiederaufnahme von „Gut gegen Nordwind“ kamen 782 Besucher, „Alle sieben Wellen“ lockte 1188 an und „Tschick“ sahen 1492 Nachtschwärmer.
Für Jugendliche
Mit „Tschick“ war erstmals ein Stück für Jugendliche im Programm, also eine Produktion für eine Altersgruppe, die für die „Kleine Hexe“ zu alt ist und die sich für Shakespeare und für Musicals noch nicht so sehr interessieren. Probeweise wurde bei der Saisonplanung für „Tschick“ außer den Spätterminen um 23 und 21 Uhr auch fünf Termine am Nachmittag angeboten. „Nach zwei oder drei Anrufen bei Schulen“ seien diese Vorstellungen rasch ausverkauft gewesen, teilte Dramaturgin Ruth Schröfel mit. So konnten diese Nachmittagstermine auf acht erweitert werden. Es wäre wohl auch Nachfrage für eine weitere Ausdehnung gewesen, dies sei aber aus organisatorischen Gründen bei den Schauspielern und auch aufgrund von Terminkollisionen mit den Kinderstücken auf der Hauptbühne nicht möglich gewesen.
Zum Gesamterfolg der Saison habe sicherlich die relativ guten Wetterbedingungen beigetragen, bilanzierte Intendant Kunzmann. Wesentlicher seien jedoch die gute Qualität der Inszenierungen, die ästhetisch ansprechenden Bühnenbilder und Kostüme und das insgesamt angenehme Umfeld des Burg-Areals mit der Gastronomie, die von den Besuchern sehr gut angenommen werde. So sei festzustellen, dass immer mehr Besucher bereits recht früh vor Vorstellungsbeginn an der Burg eintreffen. Unter anderem auch um bei den angebotenen Einführungsgesprächen vorab mehr über die Stücke und die Inszenierungen zu erfahren. Oft seien es bis zu neunzig Interessenten gewesen, bestätigten die Dramaturginnen Ruth Schröfel und Angelika Zwack, die hierfür zuständig zeichnen.
Man werde auch künftig an den bewährten Regisseurinnen und Regisseuren samt deren Stab festhalten, kündigte Kunzmann an. Und vor allem auch an dem Konzept, beim Ensemble nicht auf große Namen aus dem Fernseh-, Film- und Theater-Business zu setzen, sondern auf ein qualitativ gutes, motiviertes und geschlossen auftretendes Ensemble.
Keine großen Namen
Damit nahm er Bezug auf die Diskussion auf das Konzept der Bad Hersfelder Festspiele sowie die im Unterschied zu Bad Vilbel dort sehr hohen Zuschüsse der Landesregierung, die der neue Intendant Dieter Wedel locker gemacht hatte. Zwar sei die Historie der Hersfelder Spiele und auch die geografische Lage außerhalb eines Ballungszentrums zu berücksichtigen, aber ob ein so großer Unterschied gerechtfertigt sei, hält Kunzmann doch für sehr diskussionswürdig.
Auf die Stückauswahl für die Saison 2016 wollten Kunzmann und Bürgermeister Stöhr nicht näher eingehen. Im Großen und Ganzen stehe zwar Vieles fest, aber einige Vertragsmodalitäten seien noch fest zu vereinbaren. Insofern müssten sich die Festspielfans noch bis zur Bekanntgabe Anfang Oktober gedulden. Feststeht jedoch, dass am 2. November der Vorverkauf beginnen wird.