Nach neun Jahren Gemeindearbeit in Rendel beendet Konrad Schulz seine Tätigkeit als Pfarrer und geht in den Ruhestand. Am 1. November verabschiedet sich seine Gemeinde von dem vielseitig engagierten und weltgewandten Theologen.
Karben. Auch an diesem Sonntag lauschen die Besucher des Gottesdienstes der evangelischen Gemeinde Rendel andächtig den Klängen der Orgel. Doch ihre Gesangbücher liegen geschlossen vor ihnen. Sie warten nicht darauf, gemeinsam zu singen. Sie warten auf ihren Pfarrer, Konrad Schulz, dessen verzögerte Ankunft die Organistin mit Kirchenliedern überbrückt. Wie wohl nur wenige Geistliche ist er für seinen Glauben in der Region Karben und weit darüber hinaus unterwegs, setzt sich auf vielfältige Weise für seine und benachbarte Gemeinden ein.
Als er schließlich eintrifft, entschuldigt sich Pfarrer Schulz für sein Zuspätkommen, er sei als Urlaubsvertretung beim Abendmahl in Groß-Karben aufgehalten worden. Die versammelte Gemeinde lächelt still, ist froh, dass er da ist. Der Erntedankgottesdienst, Konrad Schulz’ letzter als Pfarrer, kann beginnen. Nicht nur deshalb ist es ein besonderer Gottesdienst für ihn und seine Gemeinde.
Einmal im Monat laden er und der Kirchenvorstand zum „etwas anderen Gottesdienst“ mit Diskussionsrunde ein. Zur Erntedankzeit wollen sie gemeinsam mit Food-Sharing-Expertin Meike Trefftz darüber diskutieren, was eigentlich nach dem traditionellen Feiern der Ernte passiert? „30 Prozent der Lebensmittel, die geerntet werden, werden aussortiert, bevor sie die Ladentheke erreichen“, mahnt Schulz. Vom kleinen, nicht ganz perfekt runden Apfel bis hin zum ein Tag alten Brot, jede Nahrung sei wertvoll, auch wenn sie vermeintlich nicht den modernen Verbrauchsstandards entspricht, betont Trefftz. Die Rendeler Gemeinde diskutiert angeregt mit.
Enge Partnerschaften
Von Italien über Wiesbaden, von Chile und Indien bis nach Bad Vilbel und schließlich Rendel hat Pfarrer Schulz sein Weg als Geistlicher geführt. Die konventionellen Pfade der Kirche zu erweitern, um neue Zugänge für die Menschen zum Glauben und zur Welt zu schaffen, das sei ihm wichtig.
„Gottesdienst darf keine Einweg-Kommunikation sein, es kommt auf die inhaltliche Auseinandersetzung an. Nette Reden halten ist nett, aber man muss auch Konsequenzen ziehen“, betont der Theologe. Deswegen sei er sehr stolz auf dieses unkonventionelle Gottesdienstformat, das seit rund zwei Jahren von Familie bis hin zur Finanzwirtschaft unterschiedlichste Themen behandelt. Auch außerhalb des Gottesdienstes beweist Pfarrer Schulz sein Engagement für Vielfalt. Besonders der ökumenische Kontakt zu den Pfingstkirchen und dem katholischen Erzbistum habe ihn in seiner Laufbahn entscheidend geprägt. Als Pfarrer für die Ökumene im Dekanat Wetterau der evangelischen Kirche kann Schulz heute auf eine enge Partnerschaft mit der nordindischen Kirche zurückblicken, dessen Gemeinden er seit zwölf Jahren besucht. Vor Ort in Kashmir setzt sich Pfarrer Schulz vor allem für die Frauenrechte und den Katastrophenschutz ein. Als passionierter Musiker an der Querflöte und Gitarre spielt er zudem oft in indischen Musikgruppen mit.
Doch auch die Arbeit im heimatlichen Rendel sei nach wie vor sehr reizvoll, betont Pfarrer Schulz, der hier wohnt und in seiner Freizeit viel wandert und gerne zeichnet.
Am 1. November findet der Abschiedsgottesdienst des welterfahrenen Pfarrers mit Vertretern des Dekanats in der Rendeler Kirche statt.