Bad Vilbel. Ein Damoklesschwert mit ganz scharfer Klinge hing seit 2004 über der Quellenstadt. Doch das ist jetzt Geschichte, Heimatgeschichte, allerdings in ihrer verwerflichsten Art, verquickt mit allem, was der Zeitgeist oder Zeitungeist in unserer Heuschrecken-Ära geboren hat: Raubtierkapitalismus, Geldgier, Raffkes. In diesen Tagen hat der Bundesgerichtshof zwei Klagen mit einem Streitwert samt Zinsen in Höhe von nahezu 100 Millionen Euro des ehemaligen Bad Vilbeler Bürgers und Inhabers der Firma Hessol, Dr. Claus Fischer, gegen die Stadt Bad Vilbel endgültig zurückgewiesen.
Bereits das Landgericht und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatten zuvor die Klagen in ungewöhnlich schnell geführten Verfahren als unbegründet verworfen. Die Bad Vilbeler Stadtväter dürfen also aufatmen, wissen sie als Juristen doch alle gut genug, dass zwischen Recht haben und Recht bekommen mitunter ein gewaltiger Unterschied liegt.
Hintergrund der Prozesse war der Landankauf der Stadt Bad Vilbel für den neuen Stadtteil Dortelweil-West in den neunziger Jahren. Fischer hatte damals von der Stadt für den Verkauf der bis dahin als Äcker und Wiesen genutzten Flächen den stolzen Kaufpreis von rund 26,3 Millionen Mark erhalten. Das schien ihm irgendwann nicht genug. Vor Gericht forderte er folglich rund zehn Jahre später – kurz vor Verstreichen der Verjährungsfrist – weitere 73 Millionen Euro (also zirka 143 Millionen Mark), zuzüglich Zinsen. Im Geheimen, da ist man sich in städtischen Kreisen einig, habe er dieses Vorhaben vermutlich von langer Hand verfolgt.
Fischer machte unter anderem vor Gericht geltend, die Stadt hätte bei Abschluss der Verträge mit ihm gegen die guten Sitten verstoßen. Der zwischen ihm und der Stadt vereinbarte Kaufpreis – er belief sich damals auf rund 120 Mark pro Quadratmeter – sei viel zu niedrig gewesen. Er, Claus Fischer, hätte nur einen Bruchteil des wahren Grundstückswerts bekommen, sei quasi enteignet worden. Die Stadt hätte auf seine Kosten Gewinne von mehreren hundert Millionen Euro erzielt, weil sie mit dem Abschluss der Verträge gegen eindeutige Verbote verstoßen habe. Bei korrekter Erfüllung seiner Verträge mit der Stadt müsse sie ihm noch rund 73 Millionen Euro (also zirka 143 Millionen Mark) nachzahlen, zuzüglich Zinsen, versteht sich, von den Prozesskosten, die der Verlierer zu tragen hat, ganz zu schweigen. Sie belaufen sich heute auf 4,6 Millionen Euro, zu bezahlen von Fischer.
Fischer hatte vor Gericht mit diesem „unglaubwürdigen Vorbringen“ keinen Erfolg. Die Zivilgerichte aller Instanzen fanden an der Handlungsweise der Stadt nichts auszusetzen. Sie stehen damit in einer Linie mit dem höchsten hessischen Verwaltungsgericht. Dieses hatte in einem anderen Zusammenhang das von Fischer angegriffene Vorgehen der Stadt „nicht nur als rechtlich zulässig, sondern im positiven Sinne als beispielhaft“ bezeichnet.
Fischers Klageforderung in Höhe von 73 Millionen Euro richtete sich letzten Endes gegen die Bürger von Bad Vilbel. Über die Vermögensverluste für die Stadt hinaus, hätte die Klage im Erfolgsfalle die Einstellung aller freiwilligen sozialen Leistungen der Stadt (Altenfürsorge, Vereinsförderung, Kulturveranstaltungen, Betrieb der Bäder, Erhaltung der Parkanlagen und so weiter) und außerdem auch höhere Abgaben (Gewerbesteuer, Grundsteuer, Kindergartengebühren) bedeutet. Die weitere Entwicklung der Stadt wäre für Jahrzehnte gelähmt gewesen.
Dabei ist der vom Land Hessen als Landwirt bezeichnete Dr. Claus Fischer, der sich vor einigen Monaten nach Nidda „abgesetzt“ hat, wahrhaftig kein armer Mann, der am Hungertuch nagt, sondern Herr über ein Millionenvermögen, gehören ihm doch allein in Bad Vilbel zwei Tankstellen (insgesamt sollen es etwa 20 Tankstellen sein), ferner die Gebäude der Supermärkte Tegut und Lidl sowie der Fast-food-Filiale Mc Donalds; außerdem besitzt er über 100 Hektar Wald bei Nidda, in den Gemarkungen Bellmuth, Bobenhausen und Wallernhausen, soll zudem noch eine größere landwirtschaftliche Fläche in Niddatal besitzen, die er angeblich, wie hinter vorgehaltener Hand zu hören ist, gerne ebenfalls als Bauland vergolden wollen würde.
„Es hat sich tief ins Gedächtnis gegraben, dass er versucht hat, seiner Heimatstadt die Existenzgrundlage zu entziehen“, erklärte Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr enttäuscht über Fischers Verhalten und versicherte, dass die Stadt Bad Vilbel mit Fischer keine Geschäfte mehr machen werde..