Bad Vilbel. Keine fünf Minuten lief die Premiere „Gefährliche Liebschaften“ am Freitagabend auf der Bühne der Burgfestspiele, da stürmte Intendant Claus-Günther Kunzmann mit dem Mikrofon in der Hand nach vorne und verkündete eine Regenpause. Ein Wolkenbruch ließ dicke Tropfen auf das Blechdach und das in Plastiktüten gehüllte Publikum prasseln, so dass die Schauspieler nicht mehr zu verstehen waren.
Gelassen reagierten Kunzmann und das Premierenpublikum auf die Wetterlage. „In 20 Jahren haben wir schon alles erlebt“, sagte er und verbreitete Zuversicht. „Da hinten klart es schon wieder auf.“ Schnell noch wischten Mitarbeiter Regenwasser von der Bühne und gleich nahmen die Intrigen ihren Lauf. Und nach knapp einer Viertelstunde starteten die „Gefährlichen Liebschaften“ in der Regie von Barbara Neureiter aufs Neue.
Marquise de Merteuil zieht die Fäden, spinnt ein Netzwerk aus Lügen, das am Ende viele Opfer hat, auch sie selbst kommt nicht unbeschadet davon. Heike Trinker mimt gekonnt eine heimtückische Aristokratin, die hinter einer Maske aus Liebenswürdigkeit und Anteilnahme die Menschen nach Belieben manipuliert. Willfähriger Mitspieler ist Vicomte de Valmont, ihre einzige Niederlage gesteht Merteuil ihm, weil sie ihn liebte, und heimlich noch immer liebt. Und Liebe ist nach ihrer Philosophie etwas, das man benutzt, nichts der man verfällt. Ihn schickt sie los, die 15-jährige Cécile de Volanges zu verführen. Aus Rache, weil ein verflossener Liebhaber ein Auge auf das Mädchen geworfen hat. Zunächst lehnt Valmont ab, weil ihm dies zu einfach erscheint und er einen Ruf zu verlieren hat. Schließlich lässt er sich doch darauf ein, mit der Zugabe, dass er mit der Merteuil eine Liebesnacht verbringen kann. Dafür muss er aber auch die sittsame, moralische Madame de Tourvel, gespielt von Anna Eger, verführen.
Mit großer Spielfreude gibt Thomas Gerber den Valmont, der seine Opfer bezirzt, umschmeichelt, überredet und übertölpelt. Und sie hinterrücks zynisch, zufrieden belächelt. Ivana Langmajer überzeugt als naive 15-jährige Cécile, die mit dem Anschein der Liebe betört, mit Gewalt verführt wird und am Ende Gefallen am handfesten Sex findet. „Die Triebe auf Trab halten“ nennt Marquise de Merteuil dies. Der junge Chevalier Danceny will mit Cécile anbandeln, landet aber in den Armen von Marquise de Merteuil und in Unterhosen in ihrem Schlafgemach. Andy Konrad verkörpert gekonnt den schüchtern-naiven bis übereifrigen Danceny. Jetzt wird er von Valmont ernstgenommen, der seinerseits intrigiert und Cécile und Danceny zusammenbringt – gegen den Willen von Merteuil. Weil Valmont sich nach erfolgter Eroberung in Madame de Tourvel verliebt hat, fordert Merteuil den Bruch mit Tourvel, den er grausam mit einer Vergewaltigung vollzieht. Merteuil aber verweigert die versprochene Belohnung einer gemeinsamen Nacht und bricht mit ihrem langen Weggefährten. Die eingefädelte Intrige endet mit einem Duell zwischen Danceny und Valmont, der dabei stirbt.
Gut besetzte Nebenrollen: Marina Matthias als Madame de Volanges und Ellen Schulz als Prostituierte Emilie, verstehen es, mit ihren kurzen Auftritten Akzente zu setzen und bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Das Bühnenbild imponiert durch Einfachheit und Eleganz. Kontrastreiche Farbgebung – hier die gelbgrüne, dort die weinrote Wand – spiegelt sich in der Kleidung der Damen Tourvel (grün) und Merteuil (rot) wider. Für die gelungene Ausstattung zeichnet Dorit Lievenbrück verantwortlich.
Reichlich Applaus ist der verdiente Lohn für einen unterhaltsamen, solide inszenierten Komödienabend.