Über den ehemaligen Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) hat der Bad Vilbeler Journalist Uwe Wittstock vor rund zehn Jahren eine Biografie geschrieben, die er jetzt aufpoliert hat. Am Freitag, 24. April, um 20 Uhr stellt Wittstock das „rundum erneuerte“ Buch in der örtlichen Stadtbibliothek vor.
Bad Vilbel. Er war ein scharfzüngiger Kritiker, dessen Urteil Schriftsteller und Verlage fürchteten, aber auch schätzten, der es aber auch wie kein Zweiter verstand, Leser für ihm wichtig erscheinende Bücher zu begeistern: Marcel Reich-Ranicki (MRR), unfehlbarer „Literaturpapst“, konnte mit Worten Berge versetzen und mit Worten Menschen verletzen, etwa seinen ehemaligen Freund, den kürzlich verstorbenen Günther Grass, oder Lieblinge der Literaturszene, wie Martin Walser.
Mitunter gelang ihm das nach Lust und Laune. Aber eines schaffte er nie: sein Publikum zu langweilen. Und so gedeihen nach seinem Tode die Biografien über diese schillernde Gestalt. Manche, die unter ihm oder mit ihm gearbeitet haben, wollen genau das durch eine Biografie über den machtbewussten Meister bezeugen, mitunter sind Journalisten dabei, die sogar mehrfach mit MRR-Biografien den Büchermarkt beschicken. Zum Beispiel der Bad Vilbeler Journalist Uwe Wittstock, der seit 2010 als Literaturredakteur in dem verblühenden Nachrichtenmagazin „Focus“ Kurztexte schreibt, eine Zeitschrift, die übrigens kaum aus der Taufe gehoben von MRR mit ironisch-erotischen Vergleichen durch den Kakao gezogen wurde. Auf 432 Seiten ließ jetzt Wittstock seine alte, bereits 2005 erschienene und aufpolierte Biografie anwachsen, um die Karriere des Unvergleichlichen nachzuschreiben.
Marcel Reich-Ranicki, wurde als Jude von den Nazis verfolgt, war kurzzeitig Anhänger der kommunistischen Partei Polens und sogar Mitarbeiter des Geheimdienstes, siedelte sodann in die Bundesrepublik Deutschland über, wo er sich zügig einen Ruf als bedeutender Literaturkritiker erarbeitet hat. Zugleich mit diesem Porträt entstehe laut Blessing Verlag in Wittstocks Buch auch ein Bild des bundesdeutschen Literaturbetriebes: von dem Einfluss der Gruppe 47, den medienaffinen Inszenierungen des Bachmann-Preises in Klagenfurt und von dem sensationellen Erfolg des von Reich-Ranickis dominierten „Literarischen Quartetts“ im ZDF.
Biograf Uwe Wittstock, 1955 in Leipzig zur Welt gekommen, war von 1980 bis 1989 unter der Ägide von Marcel Reich-Ranicki Literaturredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Anschließend war er Lektor im S. Fischer Verlag und Kulturkorrespondent der Springerzeitung „Die Welt“. Zuletzt veröffentlichte er den Essayband „Nach der Moderne“. (sam)