Wenn die Ziegelei im Spätherbst einem neuen Wohngebiet weichen wird, hat ein Teil der Anlagen schon eine weite Reise hinter sich. Ein aserbaidschanischer Ziegeleibesitzer hat sie gekauft. Aber auch Keraform-Chef Michael Strauch hat große Pläne. Er wird die Produktion auf zwei neue Standorte verlagern und im Rhein-Main-Gebiet weiter als Projektentwickler Industriebrachen zu Wohnvierteln umgestalten.
Bad Vilbel. Fakhraddin Bakhishov ist voll des Lobes über Deutschland. Im fernen Aserbaidschan besitzt er seit 1983 bereits sechs Ziegeleien, vier davon produzieren im Moment. Und fast jedes Jahr kommt er seit einiger Zeit nach Deutschland, auf der Suche nach Maschinenteilen „Made in Germany“. Seine jüngste Reise führt ihn nach Massenheim. Dort hat die Firma Keraform ihre Produktion im November eingestellt. Das 3,6 Hektar große Areal soll schon ab Herbst für das neue Wohngebiet Ziegelhof freigeräumt sein.
Die Keraform wird es aber weiter geben, betont Geschäftsführer Michael Strauch. Er hat sich bereits in zwei neue Standorte eingekauft: Schönlind in der Oberpfalz und Alzenau in Unterfranken. Dadurch solle die Produktion deutlich ausgeweitet werden. An den Standorten gebe es auch sehr guten Ton. Zwei Bad Vilbeler Mitarbeiter werden nach Alzenau umziehen.
1000 Mitarbeiter
Ein Großteil der Anlage wird an die neuen Standorte verfrachtet, der Rest geht nach Zentralasien. Darunter Ziegelei-Pressen zur Nassseite und zur Trockenseite der Ziegel. Das Gros entfällt aber auf die Ofenwagen, jene jeweils zehn Tonnen schweren Träger, auf denen die Ziegel in den Brennofen gefahren werden. 42 davon gibt es – allein das werde etwa 80 bis 100 Lastwagen-Transporte füllen, schätzt Strauch.
Für den Ziegeleibesitzer Bakhishov ist dies eine gute Gelegenheit. Vor drei Jahren hat er in Waiblingen, vergangenes Jahr in Neustadt Anlagen eingekauft. Nach Massenheim kam der Kontakt über einen Ziegelei-Kollegen zustande, schildert Strauch. Bakhishov schwärmt von der deutschen Technik. Er fahre einen 1978er-Mercedes, der sei in seiner Heimat immer noch teurer als chinesische Neuwagen.
Qualität, Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Langlebigkeit – alles sei bei deutschen Anlagen besser. Und Technik brauche er, denn momentan laufe in Aserbaidschan noch viel in Handarbeit – 1000 Mitarbeiter seien bei ihm beschäftigt. In der Massenheimer Ziegelei sind es gerade mal 18 gewesen.
Dabei ist der Standort Genca Kerpic Zavodu im aserbaidschanischen Nordwesten zwei Mal so groß wie die Massenheimer Ziegelei. In der Sowjetzeit habe das Ziegel-Geschäft 70 Jahre stagniert, seit 20 Jahren aber gebe es eine stetige Entwicklung, politische Stabilität „und viele ausländische, auch deutsche Investoren“, lobt Bakhishov. Im Juni fänden in Aserbaidschans Hauptstadt Baku auch die Europaspiele 2015 statt – kleine olympische Spiele.
In Massenheim hat sich schon jetzt einiges verändert. Bereits am 28. November wurden die letzten Massenheimer Ziegel gebrannt. Einige handsignierte Ziegel gehen an die Ziegelei-Abteilung des Massenheimer Heimatmuseums. Weitere sollen künftig den mittleren der drei neuen Kreisel am Schulzentrum zieren.
Bis Oktober sollen die Lagerbestände abverkauft sein, dann wird das Ziegelei-Gelände geräumt. Zur Homburger Straße haben die Bagger bereits eine große Fläche für den künftigen Ziegelhof freigelegt – darunter auch den Ausstellungsraum der Keraform.
Wehmütiger Moment
Im Herbst wird sich auch das Massenheimer Ortsbild verändern. Der 60 Meter hohe Schornstein soll gesprengt werden und zur Seite fallen, kündigt Strauch an. Das sei für viele Massenheimer sicher ein wehmütiger Moment, aber ein Schornstein ohne Ziegelei sei wenig sinnvoll, findet Strauch.
Sein Büro befindet sich in einem Wohngebäude am Rande des Firmengeländes zur Homburger Straße. Das wird künftig für Wohnungen vermietet. Zusätzlich zu den 90 Einfamilienhäusern auf dem Areal mit Platz für 270 bis 360 Neubürger.
Strauch will den Standort Bad Vilbel behalten. Es wird ein neues Bürogebäude geben, in dem er die Keraform-Standorte verwaltet – und seine Projektentwicklungsfirma Terraconcept, die auch den Ziegelhof plant. Die konzentriere sich auf den Umbau von Industrieflächen in Wohnbebauung. Im Rhein-Main-Gebiet gebe es „Arbeit für 150 Jahre“ – allein in Vilbel „haben wir zwei, drei Sachen im Auge“.