Dieses Bauwerk ist einmalig – und es beherbergt unzählige Geheimnisse: die evangelische Kirche St. Michaelis in Klein-Karben. Geschichten und Mythen greift nun erstmals ein Buch auf. Doch diverse Rätsel bleiben ungelöst.
Karben. Plötzlich, so berichten alte Klein-Karbener, sei die Schaufel weg gewesen. Beim Umgraben im Garten verwand der Spaten einfach so im Boden. „Der ist in den Gang der Ritter gefallen“, hätten die Kärber vermutet, erklärt Pfarrer Werner Giesler. Der unterirdische Tunnel habe einmal die Kirche St. Michaelis mit der ehemaligen Burg der Ritter Dugel von Carben in der heutigen Rittergasse verbunden.
Ein Geheimgang zur Kirche? Die Burg wurde 1341 erstmals erwähnt und im Mittelalter zerstört. Untersuchungen in der Kirche hätten keinen Hinweis darauf ergeben, räumt der Pfarrer ein. „Aber das heißt nicht, dass es den Gang nicht gab“, sagt Historiker Holger Köhn. Er und Christian Hahn vom Büro für Erinnerungskultur aus Babenhausen haben in zweijähriger Arbeit einen Kirchenführer erstellt. Geheimnisse und die unzähligen Mythen rund um St. Michaelis sind nun in diesem Buch erstmals zusammengeführt. Es wurde am Wochenende der Öffentlichkeit präsentiert.
„Diese Kirche ist außergewöhnlich“, erklärt Christian Hahn. „Mit ihrem Grundriss eines griechischen Kreuzes ist sie nördlich der Alpen einzigartig“, erläutert Historiker Köhn. Zudem ist St. Michaelis sehr alt: Die ältesten Überreste stammen aus der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts. Hinzu kämen diverse besondere Malereien und Details im Innern. „Das ist ein einzigartiges sakrales Gebäude“, sagt der Fachmann. Das Landesdenkmalamt habe das bestätigt. Köhn und Hahn sichteten Quellen und Archivalien und sprachen mit diversen Menschen, die sich mit der Kirche auskennen. Damit fasst das Buch auch die Erkenntnisse aus der seit fast zwei Jahrzehnten laufenden Sanierung zusammen.
Heidnische Opfer?
Allein seit 2012 hat die Initiative „Erhalten und Gestalten“ Sanierungen für 140 000 Euro umgesetzt. An die 50 000 Euro davon stammen von Spendern, freut sich Kirchenvorstand Ulrich Kussmaul.
Besucher wie Wanderer auf der Bonifatius-Route haben die Auftraggeber vom Kirchenvorstand als Käufer im Blick. Ebenso „Kärber mit emotionalem Bezug zur Kirche“, sagt Christian Hahn. Das Buch sei ein wichtiger Beitrag zur Stadtgeschichte, sagt der Pfarrer. Karben sei ja nicht reich an historischen Gebäuden. „Da ragt St. Michaelis zusätzlich heraus.“
Die vielen Besonderheiten sorgen dafür, dass ein Mantel des Unbekannten das Bauwerk umweht. Beispielsweise ist rätselhaft, warum der achteckige Grundriss nicht gleichschenklig ist. Doch erklärt ein Mythos, dass eine heidnische, germanische Opferstätte in den Bau integriert worden sei. Die könnte zuvor jahrhundertelang an dieser Stelle gewesen sein, sagt Holger Köhn. Darauf weise zum einen ein einzelner, besonderer Stein in einer Kirchenmauer hin. „Das könnte der Opferstein gewesen sein.“ Für diese Theorie spreche, dass Erzengel Michael als Teufelsbezwinger der Namenspatron der Kirche sei, ergänzt Pfarrer Giesler:
Und noch viele weitere Fragen sind nach wie vor offen. Beispielsweise beim Wandbild der Heiligen Margaretha in einer Fensternische. Üblicherweise werde sie mit dem besiegten Drachen zu ihren Füßen dargestellt, erklärt Holger Köhn. In St. Michaelis aber trägt sie das feurige Wesen wie ein Schoßhündchen im Arm. Wieso? Das weiß niemand.
Die rätselhafte Krypta
Rätsel gibt auch die Krypta auf. „Welche Bedeutung hatte sie einmal?“, das kann Historiker Köhn nicht klären. Ob sie Teil einer Vorgängerkirche war, eine Unterkirche, oder eine Grabstätte? Die Krypta zu sanieren und dabei zu untersuchen stehe als letztes Großprojekt noch aus. „Ein Zukunftsprojekt“, so Ulrich Kussmaul. (den)