Schichtarbeiter und die Pförtner sehen am Freitag Rot am Continental-Werkstor: Um ihren Tarifforderungen Druck zu verleihen, hat die IG Metall den Standort Karben ausgesucht. Drei Viertel der Fertigung vor Ort werden lahmgelegt.
Karben. „Wir wollen mehr“ steht auf zahlreichen Schals geschrieben, die Gewerkschafter sich zum Streik umgebunden haben. Dabei geht es wenigen Beschäftigten der Metallbranche eigentlich besser als am Wetterauer Vorzeigestandort des Automobilzulieferers. „In diesen Tagen haben wir die Übernahme von 38 Auszubildenden in feste Arbeitsplätze zugesichert bekommen“, freut sich der Betriebsratsvorsitzende für Karben, Udo Meides. „Ich habe selber hier gelernt und bin stolz auf das, was wir hier erreicht haben.“
Hinzu kommt eine Arbeitsplatzgarantie, die die Schichtarbeiter vor wenigen Monaten von Managern ihres Konzerns erstritten haben. „Elektronik im Auto hat Zukunft“, bestätigt Pressesprecher Enno Pigge im Namen der Konzernleitung am Hauptsitz Hannover. Angesprochen auf die aktuelle Forderung der IG Metall von fünf Prozent mehr Lohn betont Pigge, alle Abschlüsse in den vergangenen Jahren hätten „jeweils deutlich über der Inflationsrate gelegen“. Allerdings wissen die Chefs in Karben und Hannover auch, dass sie gute Fachkräfte sichern müssen.
„Gute Arbeit muss sich lohnen, auch für uns Beschäftigte“, meint der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Frankfurt, Michael Erhardt, als er am Freitag vor 13 Uhr Trillerpfeifen und Transparente auspackt, mit denen die Gewerkschaft ihre Forderungen lautstark artikuliert. Der Streik in Karben soll bundesweit ein Signal geben, dass notfalls auch flächendeckend Arbeit niedergelegt werden könne, wenn Arbeitgeber nicht auf die geforderte Tariferhöhung eingehen.
Sozialverträglich
Zweite Forderung, die laut Gewerkschaft gerade in Karben ein „großes Thema“ darstellt, ist Altersteilzeit. „Rund vier Prozent unserer Belegschaft hat Anspruch darauf“, sagt Erhardt. „Die Arbeitgeber wollen diese Quote auf zwei Prozent halbieren.“ In Karben haben die Tarifpartner vor wenigen Monaten vereinbart, Einsparungen im Personal seien möglich – wenn zum Ausgleich dafür bestehende Jobs gesichert würden. Altersteilzeit sei für Continental „ein Instrument zu einem flexiblen Übergang in den Ruhestand“, bestätigt Konzernsprecher Enno Pigge.
Dritte Forderung, die Streikende in der Dieselstraße unterstützen, ist die Bildungsteilzeit. Anspruch auf Weiterbildungen soll jeder Arbeitnehmer auch haben, „wenn der Chef einmal nicht will“, erklärt Michael Erhardt von der IG Metall. „Unternehmen sollten auch ungelernten Mitarbeitern den Anspruch darauf sichern, dass sie sich weiter qualifizieren.“ Im Vordergrund der Warnstreiks stehen allerdings höhere Gehälter: „Wir wollen mehr“, steht jedenfalls am Freitag unmissverständlich auf den Bannern und Transparenten in Karben. „Unsere Forderung ist nachvollziehbar und legitim“, meint Udo Meides. „Unsere Firma fährt ein Rekordergebnis nach dem anderen ein“, betont der 61-jährige Betriebsratsvorsitzende. „Davon wollen auch wir etwas abhaben.“
Fachwissen gefragt
Wie die schwierigen Tarifverhandlungen auch ausgehen – vereinbarte Entgelte werden dann laut Meides erst in neun Monaten gültig. Von da ab seien sie festgeschrieben bis ins Jahr 2018, also ein Jahr vor Auslaufen der in Karben und Babenhausen im vorigen Jahr hart erkämpften Standort- und Arbeitsplatzsicherung. „Für mich sind gute Löhne auch eine Wertschätzung der Mitarbeiter“, ergänzt der Gewerkschafter aus Karben.
Als Meides vor beinahe fünfzig Jahren eine Lehre zum Maschinenschlosser begann, hieß Continental noch VDO. Es herrschte so gut wie Vollbeschäftigung im Land. Die Zeiten haben sich gewandelt, gesucht werden heutzutage weniger ungelernte Kräfte, sondern immer mehr Fachleute, die von der immer komplizierteren Technik deutscher Automobile, für deren Hersteller Continental zuliefert, genügend verstehen.