„Wo euer Schatz ist, da ist euer Herz“, sagt Jesus. Was bedeutet dieser Satz, wenn wir über eine Spiritualität nachsinnen, die die Bewahrung der Schöpfung im Sinn hat?
Wenn euer Schatz, eure Lust, euer Spaß, euer Wollen im schnellen Herumdüsen besteht, so ist euer Herz gerade nicht beim Überleben der Bäume. Wenn wir ein günstiges Kleidungsstück, ein Schnäppchen, suchen, denken wir nicht an die Näherinnen, die es für einen Hungerlohn zusammengeschneidert haben.
Wie müssten wir umdenken und neu fühlen, um unseren Mitgeschöpfen stärker gerecht zu werden? Zunächst müssten wir die Vergänglichkeit des Ich akzeptieren. Sterblichkeit ist eine Bedingung, die wir mit allen anderen Lebewesen teilen. Sie anzunehmen, statt unsere Lebensgier zu verlängern, ist eine Gestalt der spirituellen Weisheit. Eine Spiritualität des Loslassen-Könnens könnte uns einüben in ein anderes Verhältnis zur Schöpfung. Niemand ist unersetzlich, auch ich nicht. Zu anderen müssten wir die gegenseitige Abhängigkeit alles Seienden erkennen. Die Natur ist keine Sache, von der wir nach Belieben mehr produzieren können. Land, Wasser, Luft sind keine Waren, die privat angeeignet, beliebig vermehrt und wie Aktien gehandelt werden können. „Die Erde gehört Gott“ ist eine der großen, oft in Vergessenheit geratenen Sätze der Bibel. Und alles, was ist, steht in einer wechselseitigen Beziehung.
Zum dritten muss die Gemeinschaft neu wert geschätzt werden. Erst in ihr, erst im Miteinander von aufeinander angewiesenen Lebewesen können wir das, was Person-Sein bedeutet, leben. Eindrückliches Symbol einer kranken Gesellschaft ist die Autoschlange mit je einem Individuum pro PKW mitten im Stau. Getrennt von den anderen sucht jede und jeder den eigenen Weg zum Ziel, zum Lebensziel, zum Glück.
Wer nur gelernt hat, „Ich“ zu sagen, kann der ökologischen Katastrophe, in der wir sind und die wir ansteuern, nur mit hilfloser Betroffenheit begegnen. Kinder und gar ihre Atmungsorgane sind keine Wirtschaftsfaktoren. Ein gemeinsames Umdenken in Gruppen oder gar ein neues Wollen in Annäherung an Gottes Willen, also das, was man „Beten“ nennt, findet allzu selten statt. Wenn Beten heißt, wünschen zu lernen, statt im wunschlosen Unglück zu verharren, dann ist es notwendig, dies gemeinsam zu tun. Das Subjekt der Umkehr, die wir brauchen, beginnt bei dem erschrockenen, verstörten, mitleidenden Ich, aber es geht über in Gruppen, Netzwerke, Gemeinschaften.
Können wir dabei auf Gott rechnen? Ich meine: Ohne die Fähigkeit, an Gott und Gottes weitergehende Schöpfung zu glauben, geht die Hoffnung vor unseren Augen zugrunde. In Psalm 104, Vers 30 heißt es: „Du Gott erneuerst die Gestalt der Erde.“ Um das zu verstehen, um sich daran halten zu können, brauchen wir Glauben. Damit wir inmitten einer oft so geistlosen Welt darauf vertrauen können, dass sich das Gesicht Gottes dem Gesicht der Erde zuwendet.
Pfrin. Dr. Irene Dannemann, Ev. Heilig-Geist-Gemeinde
Bad Vilbel – Heilsberg