Berichte, wonach die Geschäftsleute auf der Frankfurter Straße alle enttäuscht seien über den Umsatz nach Eröffnung der Neuen Mitte – die seien „sehr einseitig und falsch“, kritisiert der Gewerberingvorstand.
Bad Vilbel. Es gebe mehr Besucher und auch deutliche Umsatzsteigerungen, zogen bei einem Pressegespräch Vorsitzende Monika Delazer und die drei Vorstandskollegen Michael Meyer, Steffen Kreiling und Marcus Genterczewsky eine positive Bilanz. Allerdings, so räumten sie ein, hätten manche Einzelhändler nicht die Chance genutzt, sich durch Service und individuelle Angebote zu behaupten.
Dass die Erwartungen an die Neue Mitte generell enttäuscht worden seien, sei „definitiv falsch“, sagte der Optiker Michael Meyer. Auch die Behauptung, dass massiv Kaufkraft abfließe, entspreche nicht der Realität. Selbst die neuen Geschäfte am Niddaplatz würden im Großen und Ganzen gesehen den kleineren Geschäften Kunden bringen, statt sie abzuwerben.
Besser aufstellen!
Das habe auch eine Umfrage unter den Gewerberingmitgliedern ergeben, erläuterte Michael Meyer. So seien beispielsweise der Herrenausstatter Peter Hüschen und die Boutique Magic Moden sehr zufrieden. Meyer selbst berichtete für sein Geschäft ein Umsatzplus im zweistelligen Prozentbereich – „obwohl es jetzt zwei Mitbewerber mehr gibt als vor dem Umbau“.
Als die Innenstadt noch Dauerbaustelle war, habe er einen massiven Rückgang zu verzeichnen gehabt, erinnert sich Steffen Kreiling, Inhaber von Schuh-Schmidt. Aber davor seien die Geschäfte zwar soft, aber ständig leicht rückläufig gewesen. „Wir mussten etwas tun“, um nicht langfristig im Vergleich zum Umland abgehängt zu werden, ist er nach wie vor überzeugt. „Nach Eröffnung des Niddaplatzes „sind wir noch nicht da, wo wir waren“, räumt Kreiling für sein Geschäft ein, aber es gebe seither „keinen Monat, bei dem die Umsatzentwicklung schlechter war als im Branchendurchschnitt“. „Wir haben starke Mitbewerber bekommen“, sagt er und sieht dies als Chance, „wenn man sich gut aufstellt“. Deswegen werde er im Sommer auch seine Geschäftsräume bei weiterlaufenden Öffnungszeiten umbauen, um Schritt mit der Entwicklung zu halten. Zudem hat Kreilling bereits im Sortiment Anpassungen vorgenommen. „Man muss mitspielen können“, sagt er. Und er betont: „Der Magnet ist da“ – es gebe nicht weniger Kaufkraft und Kunden, wie kriselnde Einzelhändler klagen und in den Tageszeitungen zitiert wurden.
Für Sabine Sellau-Ciupa, Inhaberin von Bild und Rahmen, habe sich der Umzug einige Häuser weiter und die Vergrößerung gelohnt, nannte Gewerbering-Vorsitzende Monika Delazer ein weiteres positives Beispiel. Den Verkauf von Wechselrahmen, die es am Niddaplatz günstiger gibt, habe Frau Sellau eingestellt und sich noch mehr auf handgefertigte Rahmen und individuelle Wünsche ihrer Kunden eingestellt. In ihrem eigenen Sportgeschäft hat Delazer bemerkt, dass jetzt auch viel mehr Jugendliche mit der Neuen Mitte auch ihr sowie andere Geschäfte in der Frankfurter Straße entdecken. „Die finden es wieder cool, in Bad Vilbel zu shoppen und zu bummeln“, habe sie nicht nur empfunden, sondern auch auf Nachfragen bestätigt bekommen. Es gebe neue Kunden von außerhalb, die von dem Bad Vilbeler Branchen-Mix und den Angeboten überrascht seien. Das große Plus sei, „dass wir Einzelhändler mit inhabergeführten Geschäften auch persönlich beraten und ansprechbar sind.“
Davon ist auch Optiker Marcus Genterczewsky überzeugt. Von dem zunehmenden Handel per Internet und Online-Bestellungen lasse er sich nicht entmutigen. Selbst wenn in seinem Geschäft in diese Richtung nachgefragt werde, so lehne er selbstverständlich eine Beratung nicht ab, sondern versuche freundlich, mit seinem Service und seinen Leistungsstandards zu punkten und im Geschäft zu bleiben. Oft könne er so die Vorteile und Unterschiede zum Online-Kauf verdeutlichen. „Und wenn dann doch der eine oder andere wieder geht, dann war es auf alle Fälle ein Versuch wert“, erhielt Genterczewsky von Michael Meyer volle Zustimmung.
Mehr Lebensqualität
Von einem sehr positiven Trend, weiß auch Friseurmeister Thomas Horinek zu berichten. Auch wenn es etwas gedauert habe, so seien die früheren Stammkunden in seinem Innenstadt-Salon fast alle zurückgekehrt, während sich der Anteil an Laufkunden „markant erhöht hat“. Die Geschäfte am Niddaplatz „haben die Kaufangebote in der Stadt erweitert“ und biete so Anreize in Vilbel einzukaufen. Die Einzelhändler „müssen mit Einsatz und Motivation zeigen, dass sie attraktive Angebote und Serviceleistungen bieten. Ein Schlaraffenland, „in dem gebratene Tauben durch die Luft fliegen“, gebe es nicht.
Wie Horinek ist auch Michael Meyer der Überzeugung, dass sich seit der Eröffnung der neuen Geschäfte am Niddaplatz mit Gastronomie und Stadtbücherei in der Innenstadt „wir eine Aufenthalts- und Lebensqualität haben, wie wir sie noch nie hatten. Eine supermoderne, schicke Innenstadt“, ganz anders, als mit dem „hässlichen Parkplatz“ zuvor. „Es tut uns leid um Herrn Schleenbäcker“, dessen Geschäft im Juni schließt, so Meyer, aber dahinter stünden „möglicherweise unglückliche Entscheidungen“. Vom Kaufhaus-Sortiment habe Schleenbäcker sich in kurzer Zeit zunächst auf den Internet-Handel, dann auf Kaffeemaschinen und schließlich Spielwaren konzentriert. Das waren vielleicht zu viele Wechsel, meint Meyer.
Ja zum Wettbewerb
Trotzdem sieht auch der Gewerbering noch Nachbesserungsbedarf. So findet es Monika Delazer bedauerlich, dass es noch nicht gelungen sei ein Laden mit Bio-Lebensmitteln in der Frankfurter Straße anzusiedeln. Auch Geschäfte mit Haushaltswaren oder Kinderbekleidung würden der Innenstadt zugute kommen.
Auch der Etat des Gewerberings reiche gerade, um Ereignisse wie die verkaufsoffenen Sonntage zu stemmen. Die großen Filialisten am Niddaplatz sind nicht Mitglied im Gewerbering, auch wenn die Drogerie Müller einen Werbezuschuss zahlt. So bleibt es dem Geschick der einzelnen Mitglieder überlassen, wie sie um Kunden werben. „Wir haben alle gewusst, dass in der Mitte neue und moderne Geschäfte eröffnen werden“, will Kreiling keine Ausrede gelten lassen, keine Zeit gehabt zu haben, um sich darauf einzustellen. „Wir leben im Wettbewerb und das wollen wir auch.“ (dd/hir)