Durch die Hotel-Drehtür gelangte ich ins Foyer. Mein Ziel, ein Firmenseminar, war als Hinweisschild aufgestellt und ich folgte ihm. Dann traf ich auf fünf Herren, einer von ihnen kam mit strahlendem Gesicht auf mich zu, hielt mir die Hand entgegen und sagte: „Grüß Dich, ich bin der Erich!“ Ich lachte zurück, antwortete mit einem kräftigen Händedruck: „Und ich bin der Werner“, während in meinem Kopf ein Suchprogramm startete. Mein Gehirn glich das Bild des vor mir Stehenden mit jemals gemachten Sinneseindrücken ab und checkte zugleich alle Gedächtnisinhalte über Erichs, die ich jemals kennen gelernt hatte. – Aber schon wieder ergriff einer der Herren energisch meine Hand: „Ich bin der Friedhelm“, tönte er. Das gleiche Ritual mit der Nummer drei und Nummer vier, aber der fünfte stellte fest: „Du Erich, den kenne ich überhaupt nicht!“ Und zu mir gewandt: „Hast Du wirklich bei Professor Winterfeld studiert?“
„Moment mal“, sagte ich und blieb unwillkürlich beim Du: „Seid Ihr denn nicht von der Firma xy?“ „Nie gehört, erkläre mal.“ Und das tat ich dann, nicht ohne die abschließende Frage, mit wem denn ich es zu tun hätte. „Wir haben hier vor fünfundzwanzig Jahren Diplom gemacht, und dieses Jubiläum feiern wir“, erklärte Erich und schlug mir freundschaftlich auf die Schulter. Wir fühlten uns auf eine heitere Weise miteinander verbunden, stellten fest, dass wir uns mochten, und einer meinte: „Du, bei uns wird es heute Abend eine Fete geben. Wenn es bei Euch langweilig ist, dann haust Du ab und kommst zu uns rüber. Betrachte das als Einladung!“ „Klasse“, sagte ich.
Auf dem Weg zum Bankett-Raum erinnerte ich mich an mein eigenes Klassentreffen. Auch wir hatten bei der Abschlussfeier einander versprochen: Hier und heute in fünfundzwanzig Jahren! Und dann standen wir uns nach so langer Zeit tatsächlich gegenüber, die meisten auf den ersten Blick erkennend, bei manchen ratlos, bis wir allmählich im Aussehen und der Gestik die Züge des anderen wieder entdeckten, seine Besonderheiten, seine Originalität, das, was ihn oder sie ausmacht.
Jeder von uns ist einmalig. Noch nie hat es Ihresgleichen und meinesgleichen gegeben, und nie wird jemand existieren, der genauso ist wie Sie und ich. Wir sind einmalige Schöpfung eines liebenden Gottes. Oder hätte er sonst die Mühe und Arbeit auf sich genommen, aus jedem ein Unikat zu machen? Andere mögen uns wohl verwechseln, er nicht. Im Buch Jeremia, Kap. 1 heißt das so: „Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleib bereitete.“ Ein anderer hat es so gesagt: „Jeder Mensch ist ein Gedanke Gottes.“
Auch Sie sind kein biologisches Zufallsprodukt, sondern erklärter Wille Gottes, und genau darin liegt Ihre unverwechselbare Einmaligkeit, Ihr Wert und Ihre Würde. Wir sind die Lebewesen, denen Gott sich durch Jesus Christus verständlich und verstehbar gemacht hat. Wir sind die einzigen Lebewesen mit der Fähigkeit, darauf zu reagieren. Der erste Schritt der Antwort ist Ihre Akzeptanz, dass Sie von Gott gewollt und geliebt sind. Ja, Sie sind unendlich wertvoll, genau Sie. Gott segnet Ihren ersten Schritt, wenn Sie ihn nun tun, Sie dürfen ihn gehen, als Kind Gottes.
Herzlich Ihr
Pfarrer Werner W. Krieg