Karben. Gemeinsam wollen sie dafür sorgen, dass weniger Verkehr durch Groß-Karben lärmt. Darin sind sich zwei Interessengruppen einig, die kaum verschiedener sein könnten: Der Karbener Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und die Bürgerinitiative „Nordumgehung jetzt!“ (BI) in Groß-Karben. Zum überraschenden Ergebnis, künftig teilweise an einem Strang ziehen zu wollen, kam am Donnerstagabend eine Zusammenkunft der Führungsspitzen beider Gruppen im „Deutschen Haus“.
Eine einzelne Blume dekoriert den Tisch. Bier und Sauergespritzer sind nicht das einzige, was die Männer und Frauen am Tisch im kleinen Hinterzimmer eint. „Wir wollen, dass Sie wissen, dass wir keine Naturfeinde sind“, begrüßt Harald Ruhl von der BI die Umweltschützer. Die quittieren mit freundlichem Nicken. „Wer gegen eine Straße ist“, antwortet deren Chefin Ulrike Loos, „muss nicht auch gegen die Menschen sein.“
Die Initiative, miteinander zu sprechen, hatte die BI ergriffen – angeregt von einem Artikel, in dem BUND-Vorstandssprecher und Ex-Ortsvorsteher Heinz Schülke seine Meinung kundtat. „Gut, dass wir mal zusammen reden“, findet Schülke nun und sitzt den Befürwortern der 7,7 Millionen Euro teuren Straße, die schon nächstes Jahr gebaut werden könnte, gegenüber. „Wir wollen keine Fronten gegeneinander aufbauen“, sagt Harald Ruhl. Als er und Rudolf Baumgartl erklären, wie wichtig es sei, nach über 30 Jahren Planungszeit und bei täglich 12 500 Fahrzeugen endlich eine Entlastung für die genervten Anwohner an der Ortsdurchfahrt zu bekommen, stimmt Ulrike Loos zu. „Ich kann Ihre jahrzehntelange Leidensphase gut nachempfinden.“ So, wie die Häuser von Abgasen geschädigt würden, treffe es auch die Menschen. Bloß bringe die Umgehung lediglich eine Verlagerung von Lärm und Abgasen in die bisher intakte Nidda-Aue. Der neue Damm für die Straße verändere die Landschaft und das Mikroklima. Außerdem werde die Belastung noch zunehmen, befürchtet die BUND-Obere.
Gerade wegen des Klimawandels sei ein Umdenken nötig hin zu weniger Autofahrten, fordert Loos. Ein Problem, das die BI-Aktiven einsehen. Bloß: „Das Umdenken müsste eine komplette Veränderung der Kultur mit sich bringen“, schätzt Ruhl. „Das dauert noch hundert Jahre.“ So lange aber wollten die Groß-Kärber nicht mehr warten. Ulrike Loos sieht das Umdenken der Menschen nicht ganz so fern: „Schauen sie nur mal, wie schnell das mit dem Nichtrauchen sich durchsetzt.“ Statt der neuen Straße setzen die Umweltschützer darauf, die Durchfahrt durch Groß-Karben für Laster einzuschränken, mehr Pendler aus Ilbenstadt und Heldenbergen auf S-Bahn und Stadtverkehr umsteigen zu lassen. Und die vielen örtlichen Pkw-Fahrten zurückdrängen, wenn zum Beispiel eine Mutter ihr Kind per Auto zur nahen Pestalozzischule fährt. Darüber schütteln auch Harald Ruhl und seine Mitstreiter die Köpfe: „Man fährt viel zu gedankenlos Auto.“ Ulrike Loos greift das auf: „Lassen Sie uns doch gemeinsam dafür werben, dass die Menschen in Karben mehr Rad fahren und zu Fuß gehen.“ Zum Beispiel einen Aktionstag fürs Fahrrad, als Straßenfest in der Bahnhofstraße.
Die Idee finden Ruhl und seine Mitstreiter klasse. Alles weitere wollen beide Gruppen intern besprechen. „Wir sind ja nicht so eintönig gewickelt“, sagt Harald Kötter von der BI, „dass wir sagen: Die Straße muss her, und alles weitere ist uns egal.“ Deshalb will er kämpfen, dass die neue Straße üppig begrünt und Ausgleichsfläche in der Nähe entsteht. (den)