Trotz gelockerter Gesetzesvorschriften lassen sich Karbener Muslime bislang kaum in Karben beerdigen.
Karben. „Dort liegt Mekka, das ist die Richtung Süd-Südost“, sagt Mehmet Kocak von der türkisch-islamischen Ditib-Gemeinde nach einem Blick auf sein Smartphone. Auf diesem hat er eine App heruntergeladen, die es ihm ermöglicht, von jedem Standpunkt aus zu erkennen, wo Mekka – die Geburtsstadt des Propheten Mohammed – liegt. So kann er auch hier oben auf dem Waldfriedhof in Klein-Karben die für Muslime wichtige Himmelsrichtung bestimmen. Denn der Verstorbene wird so beerdigt, dass sein Gesicht Richtung Mekka zeigt.
Die Zuteilung eines Gräberfeldes auf dem Waldfriedhof seitens der Stadt im Jahr 2004 sei „eine nette Geste“ gewesen, sagt Kocak. Dennoch gibt es bis heute nur ein einziges Grab auf diesem Gräberfeld; ein totgeborenes Kind wurde dort beigesetzt.
„Fast alle Muslime, die wir über die Ditib-Gemeinde kennen, haben sich in der Türkei oder woanders beerdigen lassen“, erzählen Hilmi Koc, Vorsitzender der Ditib Karben, und Mehmet Kocak.
Um den hierzulande lebenden Muslimen zu ermöglichen, sich unter Berücksichtigung ihrer religiösen Vorschriften in der neuen Heimat beerdigen zu lassen, hat die hessische Landesregierung im vergangenen Jahr die Sargpflicht gekippt. Seither sind Bestattungen ohne Sarg aus religiösen Gründen erlaubt. Doch das müsse sich bei den Muslimen erst noch herumsprechen, sagen Kocak und Koc. „Und das Vertrauen muss wachsen.“ Zu einer muslimischen Bestattung gehören wichtige Rituale.
„Wenn die Person verstorben ist, muss es eine Waschung nach den Reinheitsgeboten des Islam geben. Diese wird von Angehörigen oder vom Imam durchgeführt.“ Eine solche Waschung sei bei der Ditib-Gemeinde in Friedberg möglich, erklärt Koc. Die Beisetzung selbst ähnelt der christlichen: „Auch bei uns wird der Verstorbene im Sarg zum Grab gebracht.“ Dort werde dieser ohne Kleidung in einem Tuch in die Erde gelegt. „Auf der rechten Seite liegend mit dem Gesicht Richtung Mekka“, erläutert Koc. Unterm Strich aber stoße das neue Gesetz bei vielen Muslimen auf Zustimmung, freut er sich.
In der praktischen Umsetzung wirft es aber für die Verwaltung Fragen auf. Das sei noch nicht ausgereift, sagt Erika Schade im Rathaus. „Wir können unseren Mitarbeitern die Bestattung ohne Sarg kaum zumuten.“ Auch das pietätvolle Hinablassen ins Grab bei der vorgeschriebenen Tiefe von 1,70 Meter könne ohne Sarg Probleme bereiten.
Zu solchen Fragen haben Städte wie Rüsselsheim oder Darmstadt in Zusammenarbeit mit muslimischen Gemeinden und Bestattern bereits Lösungen entwickelt. Eine ähnliche Zusammenarbeit mit Bestattern kann sich Bürgermeister Guido Rahn (CDU) vorstellen. „Wir stehen in Kontakt mit der muslimischen Gemeinde.“ Die letzten Hürden aus dem Weg zu räumen sei wichtig, findet Mehmet Kocak. Denn bei den Nachkömmlingen der Einwanderergenerationen träten alte Rituale immer mehr in den Hintergrund. „Da wird sich in der Zukunft einiges ändern.“