Veröffentlicht am

Das große Schimpfen

Seit Dezember fahren die Stadtbusse der Linie 26 nach neuem Fahrplan. Die anfängliche Skepsis der Fahrgäste hat sich zu massiven Protesten gesteigert. Die Verkehrsge- sellschaft Oberhessen räumt „nötige Veränderungen“ ein.

Karben. Ulrich Esselborn (56) aus Klein-Karben ist Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs aus Überzeugung. Doch seit dem Fahrplanwechsel wird Esselborns Leidensfähigkeit stark beansprucht. Seitdem fahren die Busse der Linie 26 mit völlig neuen Fahrzeiten – und, wie die Praxis zeigt, an den Notwendigkeiten der Fahrgäste vorbei.

14 Jahre lang hat Ulrich Esselborn Erfahrung als Pendler. Als Beamter in Eschborn kann er dank recht flexibler Arbeitszeiten auch mal eine Verspätung wegstecken. Doch nach drei Wochen kommt er zu dem Urteil: „Der alte Plan war besser.“ Das sehen sehr viele Fahrgäste so. Dutzende Beschwerden seien per Brief, E-Mail und Anruf im Rathaus eingegangen, sagt Bürgermeister Guido Rahn (CDU). „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, weil sich viele wohl nicht beschwerten, sondern einfach ins Auto stiegen. Es sind vor allem lange Wartezeiten am Bahnhof Groß-Karben, die die Pendler nerven. Dabei sollte der neue Fahrplan die S-Bahn-Anschlüsse dort sicherstellen. Die Folge sind Wartezeiten von 15 Minuten und mehr.

Busse fahren verfrüht

In der Realität, hatte Karbens Verkehrsplaner Ekkehart Böing kurz vor dem Fahrplanwechsel gehofft, würden diese geringer ausfallen, wenn Busse mit Verspätung ankämen). Die Verspätungen waren zentraler Grund für die Fahrplanänderungen. „Der neue Fahrplan ist aber so reichlich bemessen, dass die Busse nun sogar teilweise vorzeitig ankommen“, erläutert Bürgermeister Rahn. „Also verlängert sich die Wartezeit noch.“ Hin und wieder erwischen Fahrgäste so gar schon den vorigen S-Bahn-Zwischentakt.

Ganz überzeugt, dass der neue Fahrplan nicht funktioniert, ist Planer Böing noch immer nicht. „Wir hatten ja bisher Ferien, da ist kaum Verkehr, und die Busse kommen gut durch.“ Erst jetzt zeige sich, wie die Zeiten unter normalen Bedingungen passten. Allerdings räumt er ein, dass die Probleme mit dem Anschluss zur S-Bahn doch nicht „so schlimm wie vermutet“ gewesen seien. „Da wurde wohl hin und wieder ein Anschluss verpasst, aber oft scheint der Übergang geklappt zu haben“, erklärt Böing.

Diese neuen Wartezeiten dagegen nerven viele Fahrgäste. „Besonders die, die morgens aus Petterweil sowie morgens und nachmittags aus Rendel und Klein-Karben kommen.“ Also auch Ulrich Esselborn. Er moniert auch den mangelnden Rhythmus in der Taktung.

Auf die VGO verlassen

Und er ist sauer, wie kurzfristig die Änderung kam. „Ich habe es ein paar Tage vorher aus der Zeitung erfahren“, sagt der Klein-Karbener. „Diese Art der Kommunikation ist inakzeptabel“, greift er die Verkehrsgesellschaft Oberhessen (VGO) an. In den Bussen habe es keine Infos gegeben. „Das geht so nicht.“ Da nickt der Bürgermeister: „Ich kann die Leute verstehen.“ Er fühlt sich selbst über den Tisch gezogen: Seit dem Frühjahr habe die Stadt mit der VGO über die Änderungen verhandelt. „Aber da hat sich lange nichts getan.“ Erst am 22. November habe die VGO die Fahrplanentwürfe übersandt und das neue Konzept „in höchsten Tönen gelobt“, sagt Rahn. Dabei habe sie etwa von „keinen Wartezeiten am Bahnhof“ gesprochen. Die Wünsche der Stadt seien völlig umgesetzt worden.

Nach einer ersten Prüfung, habe die Stadt dann schnell zugesagt. „Wir haben uns darauf verlassen, was uns gesagt wurde“, sagt Bürgermeister Rahn und seufzt. „Das wird uns nicht noch einmal passieren, dass etwas so übers Knie gebrochen wird.“ Die VGO sieht sich ohne Schuld: Die „Dringlichkeit und die damit verbundene Kurzfristigkeit zur Änderung der Fahrpläne“, sagt ihr Sprecher Sven Rischen, habe sich aus den Elternprotesten in Okarben ergeben. Für diese Schüler sollten die Übergänge am Bahnhof von und zur S-Bahn sicherer werden.

Auch sollte „die Verspätungsanfälligkeit der Linie, die größtenteils durch das hohe Verkehrsaufkommen in Bad Vilbel zustande kam, minimiert werden“, so Rischen.

Auf eine schnelle Lösung drängt Bürgermeister Rahn. Er hat alle Beteiligten an einen Tisch gerufen. „Wir drängen auf erneute Änderungen“, sagt er. „Nötige und machbare Veränderungen“, räumt auch Sven Rischen ein, und dass die VGO darüber sprechen wolle. Es solle eine „noch weitere Verbesserung“ geben. Seite 22