Stell Dir vor es ist Viehmarkt und keiner geht hin! Solche Ängste muss man in Bad Vilbel nicht hegen, denn der Viehmarkt ist schon ein ganz besonderes Ereignis, bei dem sich Jung und Alt, Groß und Klein einfinden, um die prächtigen Zuchtexemplare unserer Landwirte von allen Seiten zu bewundern. „Wo gibt es das noch, dass man so früh schon so viele Leute bei einer Ausstellung begrüßen kann“, freut sich Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr über die Besucherflut bei der 58. Ausgabe der Bezirkstierschau.
Bad Vilbel. Das Wetter war diesmal geradezu optimal für den Spaziergang über das Marktgelände an der Büdinger Straße. Der Himmel hellgrau, die Temperaturen erträglich. Bereits in aller Früh brachten die ersten Landwirte ihre Tiere in Stellung, kümmerten sich um reichlich Stroh, damit sich ihre „Schützlinge“ auf dem fremden Gelände und bei dem zu erwartenden Rummel in der Fremde halbwegs wie zu Hause fühlen. Da wurde das Fell gebürstet, die Kühe, die sich auf dem Transport mal wieder ganz eingesaut hatten, abgespritzt, die Euter geputzt und die Schwänze gestriegelt, dann wird die Sau rausgelassen aus dem geschlossenen Anhänger, gleich ein Dutzend Ferkel hetzen hinterher. Plötzlich ist da jede Menge Bewegung auf dem Ausstellungsgelände, Ziegen, Schafe, Rinder und die obligaten Ponys, hübsch zurechtfrisiert.
Ein strammer Bursche
Allmählich trudeln auch die ersten Besucher ein, Mütter mit Kinderwagen, Opas und Omas mit Enkelkindern an der Hand. Gegen 10 Uhr war es rappelvoll auf dem Gelände und Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr brillierte als versierter Conferencier, sprach über die reiche Marktgeschichte, über die Besonderheiten der Vilbeler Tradition, über Tierzucht und den Stolz der Vilbeler, dass sich der Viehmarkt in der Quellenstadt gehalten hat, „denn es gibt nicht mehr viele“, so Dr. Stöhr am Mikrofon. Reihum stellte er die Tierzüchter vor, manche zeigen hier seit vielen Jahren regelmäßig Präsenz, man kennt sich also.
Und auch die ersten Offiziellen mischten sich auch schon unter die Leute, der Bad Vilbeler CDU-Chef Tobias Utter mit der Fraktionschefin Irene Utter, Pfarrer Dr. Klaus Neumeier, der sich diesen Rundgang über den Viehmarkt trotz seiner fleißigen Kirchenaktionen einfach nicht nehmen lässt. „So viel Zeit muss sein!“, gesteht er dem Reporter. Auch die Quellenkönigin Katharina I. gibt dem Markt die Ehre und erzählt, dass sie schon als kleines Mädchen hier schönste Erinnerungen an den Viehmarkt gesammelt hat. Und wo die Quellenkönigin sich unters Volk mischt, da ist meistens der Vorsitzende des Stadtmarketings, Königsmacher Kurt Liebermeister, nicht weit.
Dann bringen sich schon die Preisrichter in Position, die ersten Züchter führen ihre Prachtexemplare vor. „Die Tierschau, welche schon immer eine herausragende Bedeutung für die Tierzüchter in Hessen hatte, zeigt die Wichtigkeit des Bad Vilbeler Marktes weit über die Grenzen der Region hinaus“, lobt Kreislandwirt Herwig Marloff vom Regionalbauernverband Wetterau-Frankfurt am Main. Wer würde ihm da widersprechen, bei 58 Viehvorführungen und bei 193 Markt-Ausgaben. Ja, so lange gibt es den Vilbeler Markt schon!
Ihr „unterthänigstes Nachsuchen“ hat der „Gemeinde Vilbel“ vor 193 Jahren die großherzogliche Erlaubnis gebracht, „zwei öffentliche Vieh- und Krämer-Märkte“ abzuhalten. Und zwar „dergestalt, daß auf diesen Märkten sowohl Christen als Juden, In- und Ausländer freien ungestörten Handel und Wandel, jedoch ohne Betrug und Gefährde unter der erforderlichen Polizeiaufsicht, betreiben mögen“. So ließ es 1820 „Ludewig, von Gottes Gnaden Großherzog von Hessen und bey Rhein pp.“ in einem Privilegium vom Staatsrath Wreden besiegeln.
Gedränge herrscht zuweilen vor dem Schätzbullen Campino. Vonwegen „Tote Hosen“ – ein strammer Bursche ist das, prima im Saft, gerade mal dreieinhalb Jahre alt, 1220 Kilogramm schwer und sogar Landessieger 2013 in Alsfeld. Der hat kräftige Muskeln und ziemlich Fleisch auf den Rippen, aber auf die Hörner nimmt er niemanden, denn er hat gar keine. Wer aber am besten schätzen kann, was Campino an Gewicht so auf die Waage bringt, der gewinnt einen 50-Euro-Gutschein. Aber es geht auch um die Gaudi! „Na, wie schwer schätzt du ihn?“ fragt eine fesche Blondine in roter Jacke, Jeans und Stiefeln ihren Begleiter. Der wiegt unentschlossen den Kopf hin und her, blickt über die soliden Stäbe auf den Stier. Und die Hübsche geht auch schon in die Hocke, guckt dem Bullen tief in die braunen Augen und füllt danach ihren Schätzzettel aus. Ihre Schätzung aber bleibt ihr Geheimnis, zumindest bekommt der Reporter die Zahl nicht mit! Tobias Feucht, zusammen mit Michael Jakob der stolze Besitzer des Schwergewichtlers aus Ober-Erlenbach, steht nebendran, aber der Mann schweigt natürlich wie ein Grab. Der Bulle ohne Hörner sei ein Homozygot aus der Rasse Fleckvieh Fleisch, mehr gibt der Besitzer des Preisbullens nicht preis. Jedenfalls nicht vor zwölf Uhr. Dann wird der „Zettelkasten“ geöffnet und die Schätzungen unter die Lupe genommen, um Sieger oder Siegerin zu ermitteln.