Mit erneuerbaren Energien – dazu zählt auch die Wasserkraft – macht die Dortelweiler Ingenieursgesellschaft Lahmeyer International mehr als die Hälfte ihres Umsatzes. High Tech-Beratung als Exportschlager: 90 Prozent der Aufträge kommen aus dem Ausland. Doch ein besonders visionäres Vorhaben, die Beteiligung an der Wüstenstrom-Initiative Desertec (Dii), kommt nur langsam voran.
Bad Vilbel. Dienstreisen gehören zum Berufsalltag von Andreas Wiese. Gerade ist er aus Ghana zurückgekehrt, wo Lahmeyer Wind- und Solarprojekte plant und den Bau und die Inbetriebnahme überwacht.
Ehrgeizige Vision
Zusammen mit den Abteilungsleitern Kuno Schallenberg und Patric Kleineidam kümmert er sich darüber hinaus um die Dii Initiative, ein 2009 gegründetes internationales Industrie-Konsortium mit einer ehrgeizigen Vision. Durch Investitionen in Nordafrika soll günstig Strom aus Sonnen- und Windenergie für Europa bereitgestellt werden. Bis 2050 solle dieser damit 15 bis 20 Prozent des europäischen Strombedarfs decken.
Doch davon ist man noch weit entfernt, weiß Wiese. Lahmeyer ist von Anfang als Partner an der Desertec Industrial Initiative (Dii) beteiligt. Direkte Aufträge für Dii Projekte sind daraus noch nicht in größerem Umfang entstanden, schließlich sei auch noch keines der Projekte in der Durchführungsphase angekommen.
Das liegt jedoch nicht am technologischen Know-how und auch nicht an der Arbeit der Dortelweiler Ingenieure. Sie sind gefragte Experten für die „neuen erneuerbaren Energien“, womit alle erneuerbaren Energien mit Ausnahme der traditionell bereits seit langem etablierten Wasserkraft gemeint sind. Rund 60 Mitarbeiter, zwei Fünftel der Belegschaft, widmen sich allein diesem Marktsegment und sind in mehr als 40 Ländern tätig. In der Region, in der Desertec starten soll, sind die Lahmeyer Experten bereits stark vertreten, haben Projekte in Ägypten, Tunesien, Marokko und Algerien betreut.
Deutsche Diskussion
Die Dortelweiler Ingenieure sind nicht in Forschung und Technologieentwicklung tätig, ihr Job ist es, für den jeweiligen Standort die beste und effizienteste Technologie zu definieren. Solche Machbarkeitsstudien laufen gerade in Tunesien, wo von der Kreditanstalt für Wiederaufbau Solaranlagen finanziert werden sollen. In Ägypten geht es um ein 100-Megawatt-Solarthermie-Kraftwerk am Nil. „Wir legen das technologische Layout fest, wir optimieren kommerzielle Systeme und passen sie den Projektbedingungen an“, erläutert Wiese. Die Dortelweiler operieren mit unterschiedlichen Systemen zum Einsammeln der Sonnenstrahlung: Parabolrinnen, drehbare Spiegel mit Solartürmen oder Fresnel-Spiegel-Kollektoren. Eigentlich hätte 2012 nun die konkrete Planung beginnen sollen, doch es gibt zwei wesentliche Handicaps. Zum einen ist dies die Finanzierung des Projekts. Die Referenzprojekte könne die Industrie nicht aus eigener Kraft stemmen, sagt Wiese, es brauche auch staatliche Mittel.
Doch mittlerweile fokussiere sich fast alles auf den Geldgeber Deutschland – denn wer sonst in Europa kann noch als Geldgeber auftreten?
Fast noch größer ist das Problem mit den Stromtrassen, um den Strom von Süd nach Nord zu leiten. Daran mangelt es schon hierzulande. So müssten norddeutsche Windparks bereits stundenweise abgeschaltet werden, weil Leitungskapazitäten fehlten, berichtet Wiese.
Bei dem Transfer aus Afrika komme hinzu, dass so lange Trassen, wie sie beispielsweise zwischen Lybien und Italien notwendig wären, zur Hochspannungs-Gleichstromübertragung Unterwasser noch technologisches Neuland sind. Und auch da spielen die Kosten die Hauptrolle.
Am Ende könnte der Wüstenstrom zur Fata Morgana werden – und müsste physisch gar nicht erst gen Norden transportiert werden. Wiese berichtet von Plänen der RWE, den Strom zwar in Afrika zu produzieren, aber auch dort auf den Markt zu bringen – und ihn sich in Deutschland als Grünstromzertifikate gutschreiben zu lassen. Neben der Sonnenenergie beraten die Lahmeyer Ingenieure derzeit auch Investoren bei On- und Offshore-Windparks, aber auch bei Biomasse- und Geothermie-Projekten. Am wichtigsten ist bei den erneuerbaren Energien aber nach wie vor das klassische Geschäft mit der Wasserkraft, worin alleine mehr als 120 Mitarbeiter beschäftigt sind. „90 Prozent unserer Aufträge gehen ins Ausland“, sagt Wiese.
Die Engagements in Deutschland schaffen den „Imageeffekt“ deutsche Hochtechnologie und Ingenieurkunst im Ausland. Genau umgekehrt nimmt Wiese die Diskussion in der deutschen Politik wie auch Öffentlichkeit wahr: Bei der Energiewende werde die Diskussion „sehr deutsch geführt, der internationale Aspekt spielt kaum eine Rolle.“ Dabei sei doch offensichtlich, dass es in Deutschland gar keine so guten Bedingungen für Solarstrom gebe, der dafür in Afrika bereits für die Hälfte der Kosten erzeugt werden könne.