Veröffentlicht am

Politik ohne Papier

Das papierlose Stadtparlament soll 2013 in Bad Vilbel getestet werden. Die Fraktionen hoffen, dass dies Erleichterung beim Aktenstudium bringt – und mehr Transparenz. Aber es gibt auch Skeptiker.

Bad Vilbel. Schnell mal nachsehen, wie sich ein Bebauungsplan verändert hat, was in einem Protokoll verzeichnet wurde – für die ehrenamtlichen Lokalpolitiker ist das mit enormem Aufwand verbunden. Das soll sich ab Januar versuchsweise ändern. Bis zur Sommerpause, so hat’s der Haupt- und Finanzausschuss jüngst beschlossen, erhalten alle Fraktionen zunächst ein iPad mit Software. Damit soll das „papierlose Parlament“ Realität werden.

„Grundsätzlich ein sinnvoller Versuch“, sagt SPD-Fraktionschef Walter Lochmann. Er sei zwar erst ein Jahr im Parlament, doch hätten sich schon so viele Unterlagen angehäuft, „das ist kaum noch zu bewältigen und zu archivieren“. Dringend erforderlich sei ein einfacherer Zugang zu den Dokumenten. Er bezweifelt, dass das papierlose Projekt ökologischer sei. Sinnvoll sei das digitale Aktenstudium nur bei Aktualität: „Zumindest alles aus der laufenden Legislaturperiode muss dann da eingestellt sein“.

Pflege ist wichtig

„Das Ganze steht und fällt mit dem Angebot der Stadt, der Pflege und Archivierung“, sagt Hannelore Rabl, Fraktionschefin der Grünen – „dann kann das eine super Sache sein.“ So könne etwa gezielt nachgeschaut werden, wie sich Planungen, etwa bei der „Amiwiese“, verändert hätten. Baupläne und der Haushalt müssten öffentlich zugänglich sein auch für die Bürger, doch die angekündigte Modernisierung des städtischen Internet-Auftritts und die vor allem von der FDP im Wahlkampf versprochene „Transparenz“ verzögerten sich.

Zudem, so Rabl, dürfe der Verzicht auf Papier kein Zwang sein für die Parlamentarier. Ein kleiner Teil werde weiter auf Unterlagen in Papierform bestehen, vermutet sie – darunter auch ihr Mann, Ulrich Rabl. Am Anfang müssten die Parlamentarier aber auch mit „Kinderkrankheiten“ rechnen, weiß Rabl. Als sie im Massenheimer Ortsbeirat gerade beim Protokollschreiben auf dem städtischen Laptop war, habe jemand aufs Kabel getreten, der Stecker war draußen. Ausgerechnet, als das Gerät ein Update aufspielen wollte. Danach ging digital erst einmal nichts mehr, Rabl musste wieder zu Stift und Papier greifen, erinnert sie sich. Der Beschluss sei im Haupt- und Finanzausschuss einstimmig gefallen, so CDU-Fraktionschefin Irene Utter. Rechnen solle sich das Ganze auch, selbst wenn nicht alle 45 Stadtverordneten, sondern nur 90 Prozent mitmachten. Utter erwartet sich von der Umstellung auch eine Entlastung. So habe sie zu der Bauplanung Segmüller einen Ordner mit 170 Seiten erhalten – als Fraktion. Das den 21 Fraktionskollegen zu kopieren, sei ein zu großer Aufwand. Künftig könnte die Verwaltung das als digitales Dokument im PDF-Format liefern. Bis Januar müsse die Verwaltung das Verfahren vorbereiten, habe noch etliche Fragen zu klären, so Utter. Welcher Zugang wird geschaffen, wie kann ein unbefugter Zugriff verhindert werden, wer richtet die iPads ein, digitalisiert Bebauungspläne?

Auch die städtische Internetseite muss erneuert werden, weiß Utter. „Ich hoffe, dass wir das noch in diesem Jahr hinkriegen“, sagt sie. Dann könnten die Planungsunterlagen, Beschlüsse und Protokolle nicht nur den Parlamentariern, sondern allen Bürgern bequem zugänglich gemacht werden. Nach und nach sollen auch ältere Unterlagen mit eingestellt werden.

Arbeitserleichterung

„Eine sehr große Arbeitserleichterung“ erwartet auch Kai König für die FDP-Fraktion. Im Moment habe er schon als einfacher Stadtverordneter Probleme, an Unterlagen zu kommen, wenn es pro Fraktion nur einen Aktenordner gebe. Zudem würden viele Papier-Unterlagen aus Platzmangel weggeworfen, könnten dann nicht mehr durchsucht werden. Auch die Opposition habe es dann leichter, der Verwaltung dann „frühere Unterlagen unter die Nase zu halten.“

Im Haupt- und Finanzausschuss sei gesagt worden, das neue Verfahren sei trotz iPads für alle Parlamentarier unterm Strich kostengünstiger, sagt König. Im Gegenzug entfielen nicht nur Kopierkosten, sondern auch Porto, Arbeitszeit und Kurierfahrten.

Skeptischer ist Martin Gecks von den Freien Wählern. „Wir sind nicht prinzipiell gegen die Einführung“, aber er hätte lieber abgewartet, bis es Erfahrungen dazu aus umliegenden Kommunen gebe, meint er. Gecks glaubt auch nicht, dass eine aktuell bestückte Internet-Seite mehr Transparenz schaffe. „Die Wirklichkeit sieht anders aus“, die Bürger seien politikverdrossen, meint er. Sie interessierten sich für Kommunales letztlich nur, „wenn ihr Haus abgerissen und dort ein Hochhaus gebaut werden soll“. (dd)