Die Betreuungsgarantie für Kleinkinder gilt zwar erst ab August 2013. Genug Plätze werden in Karben schon jetzt angeboten. Eltern müssen sich aber durch enorme Bürokratie kämpfen und manche Ungerechtigkeit ertragen – was ein Beispielfall aus Okarben zeigt.
Karben. Till (1½) lässt sich nach hinten plumpsen in den riesigen, weichen Sitzsack. Dann malt er mit einem Stift im Bilderbuch herum. Eigentlich müsste er, kurz vor der Tagesschau, längst müde sein. Doch der Steppke gluckst nur zufrieden.
„Ein tolles Kind“, sprudelt es aus Mutter Katrin Buol-Wischenau (32) heraus. „Sehr unkompliziert.“ Wohl nur deshalb habe der kleine Okarbener alles, was in den vergangenen Monaten geschah, so gut vertragen. „Es war schon hart für ihn.“
Till ist das zweite Kind von Katrin und Björn Buol-Wischenau (43). Sehr viel Aufmerksamkeit fordert bereits der erste Sohn Tobi (3): Mehrfach schwerstbehindert, kann er nichts alleine machen. Seit geraumer Zeit wird er in einer integrativen Gruppe der Kita „Am Zauberberg“ in Groß-Karben betreut. Nach dem Auslaufen der Elternzeit für Till aber war den Buol-Wischenaus klar, dass das eine Gehalt des Familienvaters als Angestellter im Controlling nicht ausreicht. Damit auch Mutter Katrin wieder arbeiten gehen kann, braucht sie für den Zweitgeborenen eine Betreuung.
Erst Tagesmutter …
In der evangelischen Kita in Okarben und bei der Stadt meldeten sie Till an. Von der Stadt erfuhr sie, dass es eine Absprache gebe, wonach das zweite Kind am Heimatort einen Platz erhalte, wenn das erste Kind in einem anderen Stadtteil untergebracht sei, berichtet Katrin. „Deshalb waren wir dort nicht mehr auf der Warteliste.“ Die Absprache bestätigt Bürgermeister Guido Rahn (CDU). Doch könne er die kirchliche Kita nicht dazu verpflichten. Und deren Chefin Helga Anna Sy musste die Familie enttäuschen: „Es geht bei uns rein nach dem Alter der Kinder.“ Nur so könne man Ungerechtigkeiten verhindern. Erst ab August 2013 habe sie Platz für Till.
So lange konnten die Buol-Wischenaus nicht warten. „Wir brauchen das zweite Einkommen“, sagt Katrin. Medikamente, Material, Therapien für den behinderten Tobi kosten hunderte Euro im Monat. Also nahm eine Tagesmutter in Klein-Karben Till kurzfristig auf.
Es folgte ein Schock für die Familie: 770 Euro kostet die Tagesmutter jeden Monat. Der Wetteraukreis bezuschusst deren Arbeit zwar, doch erhielten die Okarbener nur schlappe 57 Euro. Der Kreis richtet sich dabei nach dem Bruttoeinkommen der Familie, nicht aber dem zu versteuernden Einkommen. Das liegt bei den Buol-Wischenaus viel niedriger, weil der Familie die hohen Kosten für Tobis Betreuung angerechnet werden. „Der Unterschied macht im Jahr fast 20 000 Euro aus“, sagt Katrin. Unklar bleibt, warum der Kreis so verfährt.
Als die neue Kita „Märchenexpress“ im Stadtzentrum einen Platz für Till anbot, wechselte er binnen zwei Wochen. „Ich hatte ein total schleches Gewissen“, erinnert sich Mutter Katrin. „Till hatte sich gerade eingewöhnt.“ Doch den Krippenplatz gab’s pro Monat 400 Euro billiger. Alle anderen Argumente schlug das aus. „Wäre der Unterschied geringer gewesen, hätten wir noch überlegt.“ Für das Kind sei es ebenso wie für die Tagesmutter „sehr unschön“ gewesen, räumt Mutter Katrin ein. Davor, dass die Tagesmütter unterm Preisdumping der Krippen leiden, warnt Karbens Tagesmütter-Koordinatorin Gabriele Ratazzi-Stoll. Um den Preisunterschied abzumildern „und Eltern eine echte Entscheidungsmöglichkeit zu geben“, schlägt Bürgermeister Rahn Zuschüsse für Tagesmütter-Betreuung vor. Mit einem Euro pro Betreuungsstunde soll sie für Geringverdienern ab Januar genau so viel kosten wie ein Krippenplatz. Die Stadt will so die Tagesmütter bei der Stange halten. Sie sind ein Puffer, falls mehr Eltern als erwartet auf ihren Krippenplatz-Anspruch pochen. Für die Stadt ist es ein Schnäppchen: Der Zuschuss soll 30 000 Euro pro Jahr kosten, jeder Krippenplatz aber 10 000 Euro. (den)