Die Lesung „Wüstenblume muss nicht sein“ im Gemeinschaftshaus Oberdorfelden löste große Aufmerksamkeit und betroffenes Schweigen aus. Der Kampf gegen die uralte Tradition der Genitalverstümmelung in Afrika stand dabei im Mittelpunkt.
Schöneck. Der schlimmste Tag ihres Lebens steht der Vierjährigen noch bevor. Im Dezember wird sie von ihrer Mutter zur Beschneiderin gebracht. Gewaltsam festgehalten auf einem Stein, wird dem Mädchen mit einer Rasierklinge die Klitoris herausgeschnitten. Oft sind es unsterile Rasierklingen oder Glasscherben. „Es gibt keine Worte, die diesen Schmerz beschreiben können“, schreibt Waris Dirie in ihrem Buch „Wüstenblume“.
Starke Schmerzen, Infektionen und Blutungen sind die Folge. Nicht wenige Kinder verbluten. Die Vierjährige lebt in Kenia. Dort wird bei der Ethnie der Kisii, wie in Somalia, wo UN-Sonderbotschafterin Waris Dirie aufwuchs, nahezu jedes Mädchen Opfer weiblicher Genitalverstümmelung. Der kulturelle Hintergrund der Beschneidung: Männer heiraten keine unbeschnittene Frau, da diese als unrein gilt und ihr ein unkontrollierbarer Sexualtrieb nachgesagt wird.
Bundesweite Aktion
An dieser Stelle setzt das Fulda-Mosocho-Projekt des gemeinnützigen Vereins Lebkom an, das sich seit 2002 für die Überwindung der Genitalverstümmelung bei Frauen in Kenia mit großem Erfolg einsetzt. Informationen zum Thema erteilte die Pädagogin Dagmar Resch, die die Lesung in Oberdorfelden mit Unterstützung des Eine-Welt-Ladens und Lebkom durchführte. Thematisch bezogene Texte wurden von den ehrenamtlichen Lesern Sina Ditzel, Jutta Hajek, dem Vorsitzenden der Schönecker Gemeindevertretung Klaus Ditzel (SPD), Klaus Kreuter und Gina Brix vorgelesen. Die Lesung in Schöneck fand im Rahmen einer bundesweiten Aktion statt. Diese wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung finanziell unterstützt.
Gesellschaft ändern
Wie Resch betonte, ist die Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen weltweit. 150 Millionen Mädchen und Frauen, besonders in Afrika, litten ihr Leben lang an den körperlichen und seelischen Folgen.
Besonders stolz ist Resch auf die Tatsache, dass bereits wenige Jahre nach Projektbeginn tausende Mädchen vor der Genitalverstümmelung gerettet werden und die Beschneidungsrate in der Projektregion von 98 auf 30 Prozent gesenkt werden konnte.
Durch die Lesung könnten die Zuhörer in Oberdorfelden am Wandel innerhalb der afrikanischen Gesellschaft teilhaben. In den Texten kamen kenianische Mütter, Väter und die deutsche Expertin Claudia Wegener zu Wort, die im Fulda-Mosocho-Projekt vor Ort gearbeitet hat.