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Perspektiven im Alter

Liebe Leserinnen und Leser,

dieser Name fällt auf: Er ist sehr lang, sehr aristokratisch und es ist eine Dichterin: Ämilie Juliane Gräfin zu Schwarzburg-Rudolstadt.

Geboren während des 30-jährigen Krieges, wurde sie als Waisenkind in der Familie ihres Onkels aufgenommen. Entgegen der Plänen der Familie heiratete der Sohn und Erbe des fürstlichen Hauses seine kluge Cousine. Sie wurde Landesmutter eines verwaisten, verwüsteten Landes und eines armen Volkes. Sie sollte produktive Dichterin von über 600 Kirchenliedern werden, in denen sie Krieg, Krankheit, Elend und den Verlust von lieben Menschen verarbeitete. 1699 entstand ihr Danklied, das auch heute seine Aussagekraft nicht verloren hat: „Bis hierher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte, bis hierher hat er Tag und Nacht bewahrt Herz und Gemüte, bis hierher hat er mich geleit‘, bis hierher hat er mich erfreut, bis hierher mir geholfen.“

Dieses Lied erklang auch bei der Jubiläumskonfirmation in Niederdorfelden. Dabei ging mein Blick mehrfach zu der sehr aufrecht sitzenden zierlichen Anna Katharina Böttcher, die vor 85 Jahren konfirmiert wurde. „Ehrenkonfirmantin“ nannte ich sie. Im Alter von 99 Jahren dieses Jubiläum zu erleben, bei guter körperlicher und geistiger Verfassung, ist eine seltene Ehre und Anlass zu tiefer Dankbarkeit. Frau Böttcher ließ uns genau diese Dankbarkeit spüren – und das trotz eines schweren Lebens: Im Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges geboren, stand sie als Waisenkind vor dem Altar, als sie zusammen mit 14 weiteren Jungen und Mädchen am Palmsonntag 1927 konfirmiert und vom strengen Pfarrer Frankenberg eingesegnet wurde. Das höchste Lob des Pfarrers für seine Konfirmanden war damals das selten vergebene „ziemlich gut“ und das sollte nur unsere Ehrenkonfirmandin erhalten; „genügend“ bis „kaum genügend“ kamen dafür häufig vor. Unseres Lebens Wert steht und fällt nicht durch eines Menschen Urteil. Es kann aber sehr wohl beeinflusst werden durch Vorbilder, die unser Augenmerk auf das richten, was es lebenswert macht.

In Zeiten unendlicher Debatten zun den Themen „Senioren und Kostenexplosion“, „Die alternde Ge-