Die Arbeiten auf der Biogasanlage in Karben laufen auf Hochtouren. Dort ist dieser Tage die Methangas-Produktion angelaufen. Bis Strom und Gas in die Netze eingespeist werden, ist ein langwieriges Anfahren nötig.
Karben. Seit einigen Tagen leuchtet eine Gasfackel in Karben, ihr Brummen ist über die Felder rund um den Groß-Karbener Marienhof zu hören.
Das Gas der Fackel stammt aus rein biologischer Quelle und ist nur kurz in Betrieb. Wenn im November der Regelbetrieb der neuen Biogasanlage startet, wird kein Gas mehr einfach so in die Luft verschwendet. „Alles wird zu hundert Prozent genutzt“, erklärt Ralf Döpp. Er ist Geschäftsführer der Karbener Biogas-GmbH und zugleich Leiter Erneuerbare Energien der Städtischen Werke AG Kassel. Die sind mit Projektentwickler Abicon, Karbens Stadtwerken und 20 Wetterauer Landwirten auch die Besitzer.
Vor allem mit Maissilage wird die Anlage gefüttert, später sollen Gülle, Hühnerkot, Grassilage und vielleicht Zuckerrüben hinzukommen. Bei der Ernte im September 2011 war eine Miete, ein Lagerplatz, mit 15 000 Tonnen Mais gefüllt worden. Ein Radlader bringt diese nun in den Einfüllcontainer von Fermenter eins. In diesem ist vor einigen Tagen der Betrieb gestartet worden. Fermenter zwei soll bald folgen, erklärt Wilhelm Eckel, technischer Assistent bei Abicon.
Bei 40 Grad Gärtemperatur bleibt die Maissilage rund 60 Tage im Fermenter, damit die Mikroorganismen aus der Biomasse Gas produzieren. Das Restmaterial aus den Fermentern wird anschließend in einen Nachgärer gepumpt, wo es nochmals – ein etwas höherwertiges – Gas produziert. Die beiden Fermenter und der Nachgärer sind die Behälter mit den runden Tragluftkuppeln. Der Gasbehälter liege wie eine zweite Haut darunter, erklärt Ralf Döpp. „Er kann sich unabhängig von der Traglufthülle ausdehnen.“
Mit dem Start des Betriebs geht das Installieren der übrigen Technik in die finale Phase. Dieser Tage nahm die Ovag als örtlicher Stromnetzbetreiber die Einspeiseanlage für den Strom ab. Die Anlage soll 34 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr liefern, genug für 4000 Haushalte.
Das Gute: Anders als Windräder und Solarzellen ist die Biogasenergie nicht wetterabhängig und jederzeit verfügbar. Damit taugt sie, um zur Stromgrundlast beizutragen. „Wir werden in Zukunft auch gezielt Spitzenlasten bedienen können“, sagt Döpp. Wenn viel Strom benötigt wird, soll sie auch viel erzeugen. Dann ist Strom am teuersten und erzielt beste Einnahmen. Viele Wochen sind derzeit fürs Anfahren der Anlage notwendig. Das Methangas müsse zuerst den letzten Sauerstoff aus den Fermentern verdrängen, erklärt Wilhelm Eckel. „Das Schlechtgas muss ’raus.“ Erst das rohe Methangas kann per Aufbereitung auf die Erdgas-Qualität gebracht und in die Leitungen der Netzdienste Rhein-Main der Mainova eingespeist werden. So ist das Abfackeln des „Schlechtgases“ während der Startphase nötig, erläutert Eckel. „Später brauchen wir die Fackel nicht mehr – höchstens im Havariefall.“
Wie sämtliche „Produkte“ der Anlage ist das Gas ganz sauber. Ebenso das Kohlendioxid, das künftig in der zweiten Fackel in den Himmel über Karben geblasen wird. Die Maispflanzen haben es binnen der vorigen zwölf Monate aus der Luft gebunden. Unterm Strich sollen so 18 000 Tonnen CO2 jedes Jahr eingespart werden.
Für die 2012er-Maisernte wird in Kürze eine zweite Miete asphaltiert, 10 800 Quadrameter groß. Ein bisschen mehr Material auf dem drei Hektar großen Gelände lagern zu haben, als binnen eines Jahres gebraucht wird, sei von Vorteil, erläutert Ralf Döpp. „Dann kann man schlechte Erntejahre gut ausgleichen.“ Ist die diesjährige Ernte eingefahren, soll die Menge bis Anfang 2014 ausreichen.
Gearbeitet wird in Kürze auch an der Anlage für die Gaseinspeisung. Im September soll sie geliefert werden. Danach könne die Anlage bis November in den Vollbetrieb übergehen und die Einspeisung beginnen, kündigt Eckel an. Die späte Lieferung ist kein Problem, weil der Anfahrprozess nach und nach laufe: „Solange wir noch kein ,gutes‘ Gas haben, brauchen wir die Einspeisung ja auch nicht.“
Für die Produktion von Strom aus dem Methangas steht schon das Blockheizkraftwerk bereit. An der Gasaufbereitung laufen noch Arbeiten. Weitgehend fertig sind bereits die beiden Gärrestelager. Von dort können künftig die Landwirte, die auch Rohstoffe anliefern, den perfekten natürlichen Flüssigdünger abzapfen: Er ist mineralstoffreich und fast geruchslos.
Fast nichts zu riechen
Ein paar Treppenstufen hinauf und zwei Bullaugen lassen den Blick in den riesigen, grünen Fermenter zu. Eine flüssige braune Masse steht fünf Meter hoch darin, bewegt sich langsam im Kreis, blubbert an der Oberfläche. „Derzeit sind die Blasen noch klein“, erklärt Wilhelm Eckel.
Selbst mit der Nase direkt am Bullauge ist nichts zu riechen. Wie auf der gesamten Anlage. „Sollte es auch nicht“, sagt Ralf Döpp. „Es ist ein in sich geschlossenes System. Wir brauchen das Gas ja.“ (den)