Bad Vilbel. Saskias Reich ist exakt 23,5 Quadratmeter groß, es liegt unterm Dach in ihrem Gronauer Elternhaus. Bis vor eineinhalb Monaten gab es im Dachgeschoss nur zwei kleine Fenster und eine dunkle, lichtschluckende Holzvertäfelung. Viel zu wenig für Saskia, die nach einer Netzhautablösung mit ihrer Restsehschärfe von zehn Prozent auf Helligkeit angewiesen ist, um Konturen wahrzunehmen. Scharf sehen kann das Mädchen bis zu einer Distanz von 15 Zentimetern.
Als Frühchen kam sie in der 27. Schwangerschaftswoche mit nur 450 Gramm zur Welt. Eine große Herausforderung, denn eigentlich gilt als Mindestgewicht für Geburten 500 Gramm. Am Anfang habe sie Saskia mit 0,5-Milliliter-Portionen gefüttert, erinnert sich ihre Mutter Sabine Tuschl. Nach viereinhalb Monaten konnte Saskia in ihr Zuhause einziehen, inzwischen 1780 Gramm schwer.
Küsschen von Saskia
Das Mädchen lässt sich durch seine Handicaps nicht verunsichern. Den Reporter berührt Saskia gleich, um sich seiner Gegenwart zu versichern. Am Ende des Gesprächs gibt es zum Abschied gar ein Küsschen auf den Arm. Derzeit besucht Saskia noch die Johann-Peter-Schäfer-Blindenschule in Friedberg, ist dort von Montag bis Freitag Internatskind. Doch auch wenn ihre Schulzeit zu Ende ist, möchten die Tuschls sie nicht wegschicken in ein Heim. Sie planen schon einen Anbau, um ihr später ein eigenes Wohnen zu ermöglichen.
Rührend kümmern sich Sabine und Stephan Tuschl um ihr Kind, möchten ihm das Leben so unkompliziert wie möglich machen. „Wir haben in allen Zimmern erstmal Licht angemacht“, erinnert sich Stephan Tuschl, der freiberuflich als Software-Entwickler arbeitet. Schon lange planten sie deshalb den Umbau der Dachkammer, aber erst durch Zufall kam es zum Erfolg.
„Mehr Licht für Saskia“, haben sie sich als Motto gesetzt. Mit ein paar Strahlern ist das nicht getan, merkten sie und holten Angebote ein. Eine Dachgaube? Fenster auf der ganzen Dachfront? Das gab die Statik nicht her. Als beste Lösung erwiesen sich vier Fenster, wodurch das Tageslicht von der Ostseite her das Zimmer schon morgens durchfluten kann. Der Haken an der Sache: Die Kosten. Satte 11 000 Euro veranschlagten die Handwerker für den Umbau, wobei Tuschl selbst die Elektrik und das Tapezieren übernehmen wollte.
An dieser Stelle kam der Zufall ins Spiel. Tuschl ist sportlich, „ich verbinde mein Hobby mit sozialen Geschichten“. So ging er beim Spendenlauf des Quellenmarathons an den Start, dessen Teilnahmegebühren an die Leberecht-Stiftung der FNP fließen. „Vielleicht haben wir Glück und partizipieren einmal selbst von diesen Spenden“, hatte er sich damals gesagt.
Beim Lauf trug er ein selbst gestaltetes T-Shirt, das um Spenden für Saskias Delfintherapie warb. Die findet in der Türkei statt, aber deutsche Krankenkassen und auch die Leberecht-Stiftung finanzieren keine Anwendungen im Ausland. Thomas Schwarz, Redaktionsleiter der Bad Vilbeler Neuen Presse, kam mit Tuschl ins Gespräch und versprach Unterstützung. Dass am Ende die gesamten Umbaukosten übernommen wurden, kann Tuschl noch immer kaum fassen: „Das war ein großes Glück für uns.“ Dann ging alles sehr schnell. Nachdem der Auftrag erteilt war, wurden die Dachfenster für Saskia in der Zeit vom 19. bis 20. Juni eingebaut. Die Handwerker kamen in der Zeit, als Saskia im Internat war. Bis sie wiederkam, war alles, bis auf Aufräumen und Tapezieren, abgeschlossen. Die Handwerker bauten morgens um acht das Gerüst auf, „und kurze Zeit später war auch schon das halbe Dach abgedeckt“, erinnert sich Tuschl.
Gegen Mittag wurde begonnen, die Fenster einzusetzen und die Rollläden zu montieren. „Zum Glück waren alle Fenster eingebaut, als es am Nachmittag anfing zu regnen. Das Dach wurde mit Dachziegeln und einer Plane regendicht verschlossen und der angefallene Müll entfernt. Am Mittwochvormittag wurde der letzte Rollladen montiert, die Ziegel beigeschnitten und die Baustelle aufgeräumt.
Ein kleines Wunder
„Am frühen Nachmittag hatten wir wieder freien Blick auf unser Dach mit vier großen neuen Dachflächenfenstern“, freut sich Tuschl. Dann war der Trockenbau an der Reihe, das Dach musste gedämmt, Stromanschlüsse gelegt und die Dachfläche verkleidet werden. Zum Schluss wurden die Leuchten eingebaut, tapeziert und gestrichen, Jalousetten eingebaut. Der Umbau des Zimmers war für Saskia ein kleines Wunder. „Sie saß gleich auf dem ersten Lichtflecken ihres Bodens, hat die Sonne genossen und Musik gehört“, erzählt der Vater mit Stolz.