Veröffentlicht am

Für die Zukunft indischer Kinder – Christuskirche unterstützt zwei Heime – Leiterin erzählt von den Problemen des Alltags

Die evangelische Christuskirchengemeinde aus Bad Vilbel unterstützt seit Jahren zwei Kinderheime in Südindien. Einen Einblick in den Alltag dort gab Heimleiterin Helen Thanapackiam bei ihrem Besuch in Bad Vilbel.

Bad Vilbel. Die Zeiten der europäischen Missionare, die oft Mission und Kolonisation in anderen Ländern miteinander verknüpften, sind auch in Indien längst Vergangenheit. Es gibt inzwischen eine eigenständige tamilische Kirche. Mit den Geldern, die die Bad Vilbeler über ein Missionswerk in den südindischen Gliedstaat Tamil Nadu leiten, werden vorwiegend Nahrungsmittel und Schulmaterialien für die Mädchen und Jungen gekauft.

Eine andere Welt

Aber im Augenblick hat Heimleiterin Helen Thanapackiam noch andere Sorgen. 41 Jungen und 109 Mädchen besuchen das Kinderheim in Kamuthi. Im vergangenen Jahr verlangten die Behörden, dass auch für die Jungen Toiletten gebaut werden müssten. Im Moment müssen sie ihre Geschäfte im Freien erledigen – da bleiben manchmal auch Schlangenbisse nicht aus. Da helfen die Gelder, die sie jetzt nach ihrem Besuch in Bad Vilbel mitnehmen kann, erheblich weiter. Während ihres Deutschland-Aufenthaltes gewährte die Inderin Einblicke in eine ganz andere Welt und machte deutlich, warum es sich lohne, etwa eine Bildungspatenschaft für einen der Heimplätze in Kamuthi oder dem Jungenheim Gründler Hostel in Tranquebar zu übernehmen. Dieses wurde 1991 von Bischof Dr. Gnanabaranam Johnson, dem indischen Mann der Schwester des ehemaligen Christuskirchenpfarrers Hans Siebert, gegründet. Zwölf Paten spenden zurzeit jeweils die 300 Euro, die ein Heimplatz für ein Jahr kostet.

Im vergangenen Jahr kamen insgesamt 12 000 Euro zusammen, sagt Hartmuth Schröder vom Gemeindeausschusses für Partnerschaft und Ökumene. Als gute Idee erwiesen sich dabei 70 bis 80 Spendenbüchsen, die zu Hause gefüllt werden – mit immerhin 3000 Euro im vergangenen Jahr.

Uschi Szczes ist Mitglied im Ausschuss und war schon mehrfach in Indien. Sie erläutert, dass die Spendengelder vor allem für Schulessen und den Gebäudeunterhalt verwendet werden, aber auch, wie es in Indien üblich ist, für die an Weihnachten verschenkten Kleider für das ganze Jahr. Kinder in Indien – das seien „nicht lauter kleine Prinzen und Prinzessinnen wie hierzulande“. Die indischen Kinder müssten im Normalfall arbeiten, liefen im günstigen Fall in der Familie mit, aber es gebe auch viele Waisen. Wenn Eltern neue Beziehungen eingingen, nähmen sie die Kinder oft nicht mit, weiß Szczes. Das Heim verschaffe ihnen, besonders den Mädchen, daher auch Geborgenheit und Sicherheit.

Alltag im Kinderheim

Helen Thanapackiam leitet das Heim. Sie gehört der tamilisch-lutherischen Kirche an. Etwa fünf Prozent Christen leben im hinduistisch geprägten Indien. Auch im Heim und der angegliederten Schule gebe es zu zwei Drittel Hindus – darunter viele Waisenkinder und Kinder von Wanderarbeitern, auch Kastenlose. Christliche Unterweisung, das sei in Kamuthi vor allem die Vermittlung biblischer Inhalte und christlicher Werte wie gutes Benehmen, Respekt gegenüber Älteren, gelebte Nächstenliebe. Zu den regelmäßigen freiwilligen Gottesdiensten werden alle Jungen und Mädchen eingeladen.

Der Alltag in dem schon 1912 von schwedischen Missionaren gegründeten Heim in Kamuthi ist stark strukturiert. Aufstehen und frühstücken schon um fünf Uhr, danach stehen unter anderem Putzarbeiten, eine Andacht und Hausaufgaben an. Von neun bis zwölf Uhr werden die Sechs- bis 15-Jährigen unterrichtet. Neben Fächern wie Mathematik und Englisch werden auch Nähen und Volleyball erteilt. Nachmittags gibt es Freizeit, abends wird noch eine Stunde gelernt. Um 21 Uhr ist Schlafenszeit. An Samstagen müssen alle bei Putzarbeiten helfen. Und sonntags, wenn im Ort Markt ist, kommen auch Eltern zu Besuch. Dabei haben es die Heimkinder besser als ihre zu Hause lebenden Altersgenossen: Für die geht nach der Schule oft der harte Arbeitsalltag los.

Das Engagement für die Bildung lohne sich, meint Frau Thanapackiam, die selbst als Kind in dem Heim lebte und zur Schule ging. Die Kinder könnten die Mittlere Reife absolvieren und weiterführende Schulen besuchen, viele seien Lehrerinnen geworden, Krankenschwestern oder Technikerinnen.

Bei ihrem Besuch in Bad Vilbel ist die Besucherin aus Indien erstaunt darüber, dass die Schüler nicht zumeist still im Unterricht zuhören, sondern sich selbst stark mit einbringen. Aufgefallen sei ihr auch, dass die Deutschen stets beschäftigt seien, sich schnell bewegten – aber dennoch übergewichtig seien. Dafür aber seien sie auch sehr pünktlich. Wenn in Indien etwas für neun Uhr vereinbart werde, könne es sein, dass der Betreffende erst um elf oder zwölf Uhr erscheine. „Ich bete zu Gott“, beschreibt Helen Thanapackiam ihre persönliche Mission. Das helfe „manchmal später, aber wir schaffen es“. (dd/zlp)