Das Sanieren von Karbens Hallenfreizeitbad wird teurer. Die Gründe dafür lassen aufhorchen: Das Bad wurde vor 30 Jahren nicht so gebaut, wie es genehmigt war. Dass das bislang keine schlimmen Folgen hatte, ist wohl pures Glück.
Karben. Wer genau hinschaut, kann es mit bloßem Auge erkennen. Dicke Risse durchziehen die Querbalken, die die Dachkonstruktion tragen. Teils hat sich das Holz verzogen. Viele Nägel, die beides verbinden, fehlen. Die verzogenen Balken passen nicht mehr richtig in die „Schuhe“ hinein, in denen sie aufliegen. Wie die „Schuhe“ in Nachbarbalken verankert sind, weiß niemand. Man kann es nicht sehen. „Die Probleme sind alle beim Bau entstanden“, sagt Michael Ottens (FW). 30 Jahre später bereiten sie dem für die Stadtwerke zuständigen Stadtrat Sorgen. Er macht es immerhin anders als die Nachbarn in Nidderau: Dort explodierten die Kosten während der Badsanierung. Dass es teurer wird, erfahren die Karbener immerhin schon vorher.
Fachleute hatten im Dezember das Bad, konstruiert vom Friedberger Architekten Michael Frielinghaus, auf Herz und Nieren untersucht. „Dabei ist die Büchse der Pandora langsam aufgegangen“, zieht Ottens Bilanz. „Es hat sich ein weiterer Sanierungsbedarf von 530 000 Euro ergeben.“ Die Stadt kalkuliert nun mit Gesamtkosten für Sanierung und den Sauna-Neubau von 3,3 Millionen statt bisher 2,8 Millionen Euro.
Immerhin steigt wohl der Zuschuss des Landes von 300 000 auf 400 000 Euro. Die Sanierungspläne hat die Betriebskommission der Stadtwerke, also der Aufsichtsrat, bereits abgesegnet. Auch SPD und Grüne stimmten laut Ottens zu.
Sie können wohl nicht anders. Denn den Experten offenbarte sich ein schwerwiegender Konstruktionsmangel: Die beiden nördlichen Hauptträger des Dachs, die Gratsparren, sind anderthalb Meter länger gebaut worden, als sie berechnet und genehmigt wurden. „Sie tragen nun die gesamte Last des Dachs alleine“, erläutert Ottens. Über das Warum rätselt er. „Aus welchen Gründen auch immer hat man sich nicht an die Genehmigung gehalten.“ Normalerweise werde so etwas dokumentiert. Doch nur Originalpläne fanden sich. Die damals Tätigen sind schon tot oder können sich nicht mehr erinnern.
Weil die Statik nicht stimmt, biegen sich Träger und Dach durch. Deswegen hätte das Bad beinahe schon geschlossen werden müssen: „Der Statiker sagt, er übernimmt keine Haftung, wenn eine Schneelast auf dem Dach liegt“, erklärt Ottens. Den Badegästen half, dass im vergangenen Winter kaum Schnee fiel. Immerhin ist das Dach ohne Last darauf nach wie vor standsicher.
Schaden Nummer drei: An vielen Stellen dringt Feuchtigkeit in den Beton und lässt ihn korrodieren. Das geschieht am Boden des Beckens, weil sich jenes durchbiegt. Betroffen ist auch die 100 Meter lange Schwallwasserrinne am Beckenrand, dort fehlt ein Fugenband. Auch wurden die Kacheln nicht richtig verfugt, daher wurden sie mit der Zeit herausgewaschen.
Stahl nicht verankert
Mangel vier betrifft die sieben tragenden Säulen: Die Stahlkonstruktion in deren Innern ist nicht im Beton verankert. „Das wurde nicht fachgemäß umgesetzt“, was beim Beaufsichtigen der Bauarbeiten hätte auffallen müssen, schätzt Ottens. Nun sollen die Säulen sieben Zentimeter dicke Stahlbetonmäntel zur Absicherung erhalten. Wieso aber wurde seinerzeit derart gepfuscht? Es sei kein Pfusch, sondern es seien ja „nur die Änderungsdokumentationen nicht auffindbar“, sagt der Stadtrat. „Da will ich keine Schuldzuweisungen machen: Ich weiß einfach nicht, warum man von den Plänen abwich.“
Wichtiger für Michael Ottens ist, dass die Sanierung nun in Gang kommt. 15 Prozent Puffer habe man für Unvorhergesehenes wie höhere Baupreise einkalkuliert. Für den Stadtrat ist wichtig, dass das Ziel, das jährliche Defizit des Bades bei einer halben Million Euro, trotzdem erreichbar bleibt.
Also drohen bald höhere Preise? „Signifikante Sprünge wollen wir nicht“, sagt Ottens, jedoch „erhält der Besucher einen höheren Mehrwert“. Das Bad solle „weiter ein Familienbad“ sein. Denkbar sei, zum Beispiel die Badezeit zu begrenzen. Orientieren müsse sich Karben „an den Wettbewerbern“ in der Region.
Auch haben die Stadtwerke beim Kalkulieren die Besucherzahlen vorsichtshalber niedriger angesetzt als die mehr als 120 000 Köpfe in den Spitzenjahren.
Und an einer Stelle lässt Michael Ottens besondere Vorsicht walten: Weil die Erbauer das Bad auf 50 Jahre abschrieben, muss die Stadt nun hohe Sonderabschreibungen verkraften. „Das war zu lang gegriffen“, sagt der Stadtrat und schüttelt den Kopf. Er will die Sanierung nun auf nur noch 25 Jahre abschreiben. (den)