Seit Jahrzehnten fließt kein Flusswasser mehr unter Klein-Karbens alter Nidda-Brücke hindurch. Sie ist nun baufällig, soll daher abgerissen und von einem Damm ersetzt werden. Diese von der Stadt bevorzugte, nachhaltige Variante aber passt vor allem einem nicht: SPD-Urgestein Rainer Züsch.
Karben. Bis in die 1960er-Jahre gurgelte der Fluss ganz nah am Ort vorbei. Er versorgte die Mühle mit Wasser, auch sie ist Geschichte. Am Flussufer wuschen die Frauen die Wäsche, und Kinder passten für ein paar Pfennige auf, dass diese beim Trocknen nicht dreckig wurde.
Es sind diese Erinnerungen an die gute alte Zeit, die Rainer Züsch antreiben. Das SPD-Urgestein, das lange Jahre als Ortsvorsteher wirkte, stemmt sich gegen den Verlust eines weiteren Teils der Historie des Ortes. Denn die Stadt möchte die alte Nidda-Brücke abreißen. Ein Thema, über das die Kommunalpolitiker auf der jüngsten Sitzung des Ortsbeirates Klein-Karben diskutierten.
Seit Jahrzehnten bereits ist die Brücke ihrer Funktion beraubt, weil die begradigte Nidda nun einige hundert Meter weiter westlich fließt. Das alte Flussbett ist verfüllt. Gärten sind auf der einen Seite der Brücke entstanden, ein Spielplatz auf der anderen Seite.
Mit der Brücke hat die Kommune aber nun ein Problem: Sie ist baufällig. „Eine Sanierung würde 100 000 Euro kosten, um die Brücke so zu erhalten, wie sie heute aussieht“, berichtet Stadtrat und Vizebürgermeister Otmar Stein (CDU). Das habe eine genaue Untersuchung des Architekten Ulrich Felber ergeben. Der Nachteil der Sanierung: „Die Brücke bleibt dann eine Brücke, muss ständig überwacht und in Stand gehalten werden.“ Damit verursache das Bauwerk auf lange Zeit weitere Kosten. Deshalb empfiehlt die Stadtregierung von Bürgermeister Guido Rahn (CDU) einen Abriss der Brücke. Sie werde dann durch einen Damm ersetzt.
Flicken bringt nichts
Vorteil laut Stein: Langfristige Instandhaltungskosten für die Brücke entfallen und direkt neben der Fahrbahn könne ein separater Gehweg für die Fußgänger entstehen. Das sei „die langfristig sichere und günstige Lösung“, findet der Stadtrat. Auch eine Spar-Lösung hat die Stadt durchrechnen lassen. Eine Überarbeitung der Brücke, die sie für weitere fünf bis zehn Jahre erhält, sei für an die 30 000 Euro zu haben. Dann aber müsse das Bauwerk für Fahrzeuge gesperrt werden, die schwerer als zwölf Tonnen sind.
„Das geht nicht“, widerspricht Jörg K. Wulf, der Vorsitzende des KSV Klein-Karben. Sportanlagen und Sportheim des Vereins liegen jenseits der Brücke. „Feuerwehr und der Öllaster müssen ja noch zu uns durchkommen können.“
Allerdings dürfe die Fahrbahn einer neue Straße auf dem Damm nicht breiter werden als die heutige, fordert Wulf. „Damit es verkehrsberuhigt bleibt.“ Das, sagt Otmar Stein, sehe die Stadt genau so. Doch gebe es eben keinen Grund für den Erhalt des Bauwerks. „Flicken bringt nichts“, sagt der Stadtrat. „Warum sollten wir dort eine Brücke erhalten, wenn es den Fluss nicht mehr gibt?“
Züsch fragt Fachleute
Da hält es Rainer Züsch nicht mehr: „Die Erinnerung!“, ruft das Ortsbeiratsmitglied. Er sei gegen den Abriss. „Es geht ja ums Ortsbild“, pflichtet SPD-Stadtverordneter und -Ortsbeirat Jochen Schmitt seinem Seniorkollegen bei. Das Ortsbild mit Brücke, Kirche, historischen Gebäuden und dem Geibel-Brunnen solle erhalten bleiben.
„Wir wollen die Menschen daran erinnern, dass dort einmal die Nidda floss“, sagt Schmitt.
Die Ortsansicht wolle man nicht beeinträchtigen, hält Stadtrat Stein dagegen. Der Damm nämlich solle „ein schönes Gusseisengeländer erhalten, das gut zum Brunnen und zur Umgebung passt“. Wie das aussehen solle, könne er sich nicht vorstellen, sagt Schmitt und fordert eine Zeichnung des Vorhabens. Und Züsch will noch Fachleute nach deren Meinung fragen, ob die Brücke nicht doch günstiger zu erhalten sei. (den)