Karben. Wer die kleine Roggauer Dorfkirche betritt, hat die Orgel gleich im Blick. Hinter dem Altar ist sie angebracht, in gleicher Höhe wie die umlaufende Empore der 1727 eingeweihten Kirche. Die glänzenden Orgelpfeifen und die dazu gehörige Technik sind in einem barocken Gehäuse untergebracht, das noch viel älter ist als die Orgel.
Aus dem Jahr 1784 datiert eine Mitteilung des Gemeindepfarrers Weitzel, dass der Orgelmacher Draudt in Griedel den Auftrag für eine Orgel erhalten habe. Dieses Orgelgehäuse sei „eines der schönsten seiner Zeit“, hieß es schon damals. Die hölzernen Tafeln des unteren Gehäuseteils ziert eine schlichte Bauernmalerei. Darüber treten erkerförmig die Orgelpfeifen hervor – fünf Felder sind es, eingefasst gleichfalls in Holz und sowohl seitlich als auch oben mit Rankenwerk und Engelsköpfen verziert. Diesem schönen äußeren Kleid auch ein angemessenes Innenwerk zu geben, eine Orgel, die die Kirchenbesucher beim Gesang führen würde, fühlte sich bislang jeder Kirchenvorstand verpflichtet.
Als vor 100 Jahren die Anschaffung eines neuen Orgelwerkes anstand, beauftragte die Gemeinde die Orgelbaufirma Förster & Nicolaus in Lich. Diese Orgel mit ihrer romantischen Klangfarbe tönt und klingt noch immer, wie es die Organisten beim Jubiläum bewiesen. Mit einem Glanzstück der Orgelmusik, der Toccata und Fuge d-moll von Johann Sebastian Bach, eröffnete der Kirchenmusiker Frank Scheffler aus Bad Nauheim den Gottesdienst. „Diese Orgel ist eine kleine Königin mit gutem Klang und sie schafft Atmosphäre“, sagte er hinterher zufrieden über das Instrument, an dem er zum ersten Mal saß. Ständiger Organist in Roggau ist dagegen Herbert Helfrich, der seine Frau Gabriele bei deren Sologesang begleitete.
„Wer bist du, Orgel?“, fragte Dekan Schlösser in seiner Predigt und schloss eine Lobpreisung an. „Was Menschen nicht durch Worte zu Gott bringen können, wird durch Musik transportiert.“
Das Orgelwerk der Roggauer Kirche wird immer noch von der Erbauerfirma gepflegt. Der Wartungsvertrag aus dem Jahr 1925 liegt im Original vor. Vor gut 80 Jahren erhielt die Orgel neue Pfeifen aus Zink, denn die alten waren im Ersten Weltkrieg für „kriegswichtige Zwecke“ enteignet worden.
Im Jahre 2004 stand eine große Renovierung für 19 000 Euro an. Eine Orgel kann also eine Kirchengemeinde teuer kommen – doch wenn sie wie die Roggauer den Menschen ans Herz gewachsen ist, möchte niemand auf sie verzichten. „Mit der Orgel singt es sich leichter“, findet denn auch Kirchenvorstandsvorsitzende Ina Lauster-Ulrich. (ado)