Bad Vilbel. Die alte Waffe, eine Pistole des Typs SIG Sauer P 6, war mehr als 30 Jahre lang im Einsatz und „in die Jahre gekommen“, sagt Christian von Derschau (36), der bei der Friedberger Polizei im Projektbüro für die Umstellung mitgearbeitet hat. Gut sei sie schon noch gewesen, doch bei Reparaturen hätten mittlerweile teure Einzelteile bestellt werden müssen.
Ab Dezember vorigen Jahres, als die ersten neuen Modelle ausgegeben wurden, wanderten die alten Waffen nicht in den Handel, sondern auf ausdrücklichen Wunsch von Volker Bouffier (CDU) in den Stahl-Schredder. Denn es sollte vermieden werden, dass der Waffenmarkt angeheizt wird. Immerhin erhielten 16 000 hessische Polizisten die neue Waffe.
Diese sieht nur auf den ersten Blick ähnlich wie die alte aus: rabenschwarz. Doch die Technik habe sich weiterentwickelt, sagt der Experte. Statt acht passten nun 15 Patronen in ein Magazin, dennoch sei die Pistole gleich schwer.
Dazu gebe es etliche Details, die ihre Handhabung sicherer machten. Habe man, so Derschau, bei der Vorgängerwaffe noch nach dem ersten Schuss den Spannzug wieder lösen müssen, so seien jetzt alle Schüsse gleich.
Die Griffe werden an die Hände des Trägers angepasst – „eine zierliche Schutzfrau hat andere Hände als ein 100-Kilo-Schutzmann“, sagt von Derschau. Außerdem gebe es die Modelle jetzt für Links- und für Rechtshänder. Nächtens leuchteten Kimme und Korn außerdem mit fluoreszierenden Punkten. Kostenpunkt der Neuanschaffung: 899 Euro – aber nur im Laden. Das Land hat sie im Paket bestellt, acht Millionen Euro dafür bezahlt. Ausgegeben wurden die Pistolen – offizieller Terminus „Rollout“ – erst nach einer halbtägigen Schulung auf dem Schießstand der Polizei in Friedberg. Dort müssen die Polizisten ohnehin alle zwei Monate antreten, um ihre Zielsicherheit unter Beweis zu stellen. Auf der Wand, auf die geschossen wird, läuft ein interaktiver Film. Schießt der Polizist daneben, sieht man den Täter entkommen. Trifft er, geht er im Film zu Boden.
Auch „das nicht mehr Benutzen der Waffe wird geübt“, erläutert von Derschau. Eine Einsatzsituation könne sich nämlich schnell ändern. Wenn bei den Schießübungen dauerhafte Probleme erkennbar werden, kann das zur Versetzung in den Innendienst führen. Doch die Waffen sollen außerhalb des Schießstands gar nicht gebraucht werden, hoffen die Ordnungshüter. „Sie sind ein Produkt der Sicherheit, ohne dass man gleich schießen muss“, betont der Wetterauer Polizeipressesprecher Jörg Reinemer. Dass Dienstwaffen gegen Menschen eingesetzt werden, das ist in der Wetterau die Ausnahme. Der letzte Fall habe sich bereits Ende der 1990er in Florstadt ereignet, wo ein Einbrecher in Notwehr erschossen wurde, erinnert sich Reinemer. Hin und wieder würden mit der Waffe „Signalschüsse“ abgegeben, damit könnten sich Kollegen etwa nachts an einem Tatort aufeinander aufmerksam machen. Meist aber sind es Wildunfälle, etwa in der Gegend um Büdingen und Butzbach, wo Polizisten schwer verletzte Tiere mit einem Gnadenschuss von ihrem Leid erlösen, berichtet Reinemer. Fünf bis sechs Fälle seien das im Jahr 2010 gewesen.
Dass es so wenige Ernstfälle gibt, führen die Polizisten auf eine Reihe anderer Einsatzmittel zurück. Wenn es etwa bei einer Schlägerei zu Übergriffen komme, werde Pfefferspray eingesetzt – gesundheitlich unschädlich, aber immerhin eine halbe Stunde lang wirksam. Auch mit den neuen Teleskopschlagstöcken können sich die Beamten wehren. Doch auch die Waffen werden, wenn sie benutzt werden, auf ganz geringe Distanz gebraucht, zitiert Reinemer Statistiken. Meist ist das ein Radius von nur zwei bis sechs Metern.
Mit nach Hause nehmen dürfen Polizisten ihre Dienstwaffen übrigens nur in Ausnahmefällen. Ansonsten lagern sie mehrfach gesichert: im Revier, in der Waffenkammer, im persönlichen Schließfach des Polizisten. Denn auch die Polizeiwaffen sind „immer ein gefährlicher Gegenstand“ und „im Einsatz immer das letzte Mittel“, betont Reinemer.