Karben. Garagen sind kreative Orte. In einer Garage wurde die Glühbirne erfunden, in einer zweiten der erste PC zusammengebaut und in einer dritten erblickten Ken und Barbie das Licht der Welt. Diese drei und viele weitere Beispiele belegen eindrucksvoll, dass Garagen eigentlich viel zu schade sind, um darin nur Autos zu parken. Das findet auch Rainer Nagelschmidt in Okarben.
Er ist ein versierter Bastler und Tüftler. „Ich habe von klein auf gebastelt. Erst Modellflugzeuge, dann Modellschiffe, später bin ich zu Märklin-Eisenbahnen gewechselt“, berichtet der 59-Jährige. Einige Jahre danach entdeckte der gebürtige Wächtersbacher aus dem Stadtteil Neudorf naive Malerei und Collagen für sich. „Ich habe Bilder mit getrockneten Blumen arrangiert, Bilder mit unterschiedlichen Motiven modelliert, Marionetten und Fischerboote gebastelt, Weihnachtskrippen in Bilderrahmen gebaut, damit man sie an die Wand hängen kann.“
Irgendwann waren alle Wände im Haus belegt und der gelernte Elektromechaniker, der zwei Jahre als Zeitsoldat bei der Bundesmarine diente, meldete ein Gewerbe an. Und verkaufte seine Kreationen mit Erfolg auf Märkten. „Wenn ich bastele, dann bin ich in einer anderen Welt. Innerlich bin ich ganz ruhig und entspannt. Basteln war für mich immer ein kreativer Ausgleich zu meinem technischen Beruf.“ Rainer Nagelschmidt war 33 Jahre bei den Stadtwerken Frankfurt (VGF) beschäftigt. „Erst habe ich im Kundendienst gearbeitet. Die letzten acht Jahre war ich in der Leitzentrale der Betriebsüberwachung für U- und Straßenbahnen.“ Seit knapp zweieinhalb Jahren befindet sich Rainer Nagelschmidt in der Ruhephase der Altersteilzeit.
Bereits über einem halben Jahr zuvor begann er mit einem ehrgeizigen Projekt, dem Bau eines Fachwerkhauses. „Ich baue immer alles ohne Plan und Zeichnung aus der Fantasie heraus. Schritt für Schritt.“ Der Ursprung des inzwischen stolzen, massiven Fachwerkbaues bildeten drei gotische Bogen. An diese baute er nach und nach immer mehr an, stockte auf. „Die Form und Größe des Hauses hat sich erst beim Bauen ergeben. Alles ist massiv. Die tragende Fachwerk-Konstruktion, die Erker und Balkone. Das Dach lässt sich abheben. Die Fenster lassen sich kippen und die Türen öffnen.“
Einzelne Fachwerke hat der begnadete Bastler mit roten oder dunklen Backsteinen ausgekleidet. Eine Sonnenuhr zeigt schöne Stunden, mehrere Turmuhren den Lauf der Zeit an. Verschiedene Wappen bilden dekorative Blickfänge. Im Inneren des fantasievollen Hauses laden Galerien zum Verweilen, frei tragende Treppen zur imaginären Hausbegehung ein.
Bis zu sieben Stunden am Tag sitzt Rainer Nagelschmidt an seinem Werktisch in seiner Garage. Auch im Winter. Der Kälte trotzte er mit warmer Kleidung und heißem Tee. In seine stolze Villa Fantasia verbaute er mehrere 100 runde und eckige Leisten und viel Sperrholz. Zum Bauen reichen ihm drei Werkzeuge: je eine Tischband-, eine Puk- und eine Laubsäge. Die Hölzer hat er gebeizt oder mit wasserlösslichen Farben bemalt. Rot, Grün, Blau, Gelb, Schwarz, Gold und Kupfer lassen das Gebäude strahlen. Umgeben ist das prächtige Traumhaus mit einem dekorativen Zaun und Laternen.
Ganz fertig ist die 1,10 m auf 1,40 m große Villa im Fachwerkstil noch nicht. Beim Betrachten seines Werkes fallen dem Hobbykünstler immer wieder neue Ideen ein. Da wird hier ein Detail verschönert, da eine Kleinigkeit hinzugefügt. Jetzt sucht Rainer Nagelschmidt nach einem Ort, an dem er sein Fantasie-Fachwerkhaus ausstellen kann. Doch nun will Rainer Nagelschmidt seiner Tochter einen Wunsch erfüllen. Er will ihr nach eigenen Plänen eine neue Gartenhütte bauen. Bei seiner Fantasie dürfen die Nachbarn sich schon heute über den Anblick freuen. „Basteln und Gartengestaltung sind meine liebsten Hobbys“, sagt der kreative Okärber.