Das Fest der Auferstehung Jesu ist wirklich eine unglaubliche Sache: Ein Toter ist nicht mehr tot. Berichte von Erscheinungen und jede Menge Zeugen. Diese werden sogar namentlich benannt – zumindest die Zeitzeugen konnten sie befragen. Es wird deutlich: Schon zu den Zeiten der Bibel hatten die Menschen ihren Schwierigkeiten mit dieser Geschichte und waren alles andere als „naive Leichtgläubige“. Als die Frauen vom leeren Grab gingen, wird von Entsetzen berichtet, von Zittern, von Flucht und von ängstlichem Schweigen: So etwas kann es nicht geben…
Für Menschen im 21. Jahrhundert gilt das oft ebenso. Wir sind alle geprägt von der europäischen Epoche der Aufklärung. Wir wissen um die Bedeutung unseres Verstandes und leben in einer sehr weitgehend rationalen Welt. Das gilt auch für Christinnen und Christen – für die meisten jedenfalls. Daher ist es kein Wunder, dass sich auch Christen mit den Wundern schwer tun – und mit dem Wunder der Auferstehung erst recht. Tatsächlich muss man auch als gläubiger Mensch anerkennen: Wir wissen nicht wirklich, was da geschehen ist im und um das Grab Jesu. Es entzieht sich allen wissenschaftlichen Kriterien und Möglichkeiten einer Beweisführung. Die Geschichte bleibt unfassbar – ein Fragezeichen.
Mit demselben wissenschaftlichen Ansatz aber kann und muss ich anderes anerkennen: Aus völlig deprimierten und zutiefst enttäuschten und verängstigten Jüngern wurden binnen kurzem hoch motivierte Apostel, die die Botschaft Jesu unter Einsatz ihres Lebens in der damaligen Welt verbreiteten.
Das ist mehr als erstaunlich, denn sie hatten eigentlich schon aufgegeben. Einige hatten sich aus Angst vor römischen Soldaten und jüdischer Oberschicht in Häuser verkrochen, andere hatten sich auf den Heimweg in den Norden nach Galiläa gemacht, um wieder ihren alten Berufen nachzugehen. Die Sache mit Jesus war jedenfalls vorbei. Sie hatten sich geirrt. Er war nicht der verheißene Messias gewesen. Er hatte nicht das irdische Gottesreich aufgerichtet. Er hatte nicht als neuer Mose das Volk vor den römischen Unterdrückern und Besatzern befreit. Die Sache mit Jesus war vorbei. Stattdessen mussten sie sehr berechtigt befürchten, als Sympathisanten ebenfalls verfolgt und hingerichtet zu werden – die Römer waren da bekanntlich nicht zimperlich.
Dann aber geschehen Dinge, die sie mitnehmen und betreffen, ermutigen und neu ausrichten. Öffentlich bekennen sie sich zu dem Christus Jesus, versammeln sich und taufen, erinnern sich beim Abendmahl, sorgen füreinander und zeigen sich in aller Öffentlichkeit gegen alle Verfolgung. Als mit Stephanus ein erstes der Lynchjustiz zum Opfer fällt wird deutlich, dass sie wirklich unter Einsatz ihres Lebens für ihren Glauben einstehen.
All das sind geschichtliche Fakten. Sie münden in ein weltweites Christentum. Das rationale Fragezeichen bei der Auferstehung bleibt bestehen, eines aber ist klar: Irgendetwas sehr Gravierendes muss geschehen sein, denn sonst wäre die Entwicklung der folgenden Monate und Jahre nicht vorstellbar. Christinnen und Christen dürfen mit gutem Grund also auch heute die Auferstehung Jesu glauben – selbst wenn sie eigentlich unglaublich ist. In diesem Sinne herzliche Grüße zum Osterfest, Ihr
Pfarrer Klaus Neumeier,
Ev. Christuskirchengemeinde
Bad Vilbel