Bad Vilbel. Der Dottenfelderhof engagiert sich seit Jahren in der Züchtung von Saatgut für den Öko-Landbau. Die Züchter wollen unter anderem die von genmodifiziertem Saatgut bedrohte natürliche Artenvielfalt erhalten. Noch bevor die beiden Experten des Dottenfelderhofes ihre Arbeit vorstellen, wird zur Kostprobe ein „Demeter“-Möhrensaft gereicht. Die Möhre der Sorte Rodelika ist ein Resultat dieser Forschungsarbeit, wurde eigens auf Geschmack und Süße gezüchtet. Das Entwickeln neuer Sorten ist für den Landbaubetrieb ein ureigenes Anliegen. „Saatgut ist Kulturgut“, betont Getreidezüchter Hartmut Spieß: „Seit zehntausend Jahren werden Sorten entwickelt und weitergegeben.“ Doch es gibt weltweit immer stärkere Konkurrenz durch Saatgut-Multis mit ihrem genmodifizierten und patentierten Angebot. Das kann nicht nachgebaut, muss immer wieder neu nachgekauft werden. Und es gibt weltweit nur eine Standardsorte, etwa für Mais oder Soja. „Als ein Hersteller übernommen wurde, hat der Konzern tausend samenreine Sorten aus dem Verkehr genommen“, berichtet der Gemüsezüchter Dietrich Bauer.
Auf den konventionell bestellten Feldern gebe es einen hohen Anteil von Stickstoffen und Pflanzendünger, hingegen setze der Öko-Landbau auf rein organischen Dünger, so Spieß. Gegen solche Trends kämpfen die Mitarbeiter des Dottenfelderhofs seit den achtziger Jahren. In dieser Zeit hat Bauers Team drei Möhren- und vier Kohlsorten neu entwickelt und vier Erhaltungszüchtungen betrieben. Spieß und seine Kollegen züchteten zwei neue Tomatensorten und eine Vespergurke. Ein Rosenkohl sei noch in der Anmeldung. Wie viel Arbeit die zehn festen Mitarbeiter und zehn Saisonkräfte dabei haben, belegt der Aufwand, der bis zur sogenannten Zulassungsreife zu erbringen ist. Solch ein Prozess könne beim Getreide zwölf bis 15 Jahre in Anspruch nehmen und Kosten bis zu einer Million Euro verursachen, sagt Spieß. So müsse unter anderem die Qualität der Saaten an mehreren Standorten demonstriert werden. Der Dottenfelderhof habe vier Hektar Anbaufläche für Getreideversuche, kooperiere mit der Bingenheimer Saatgut AG und Betrieben in Alsfeld, Niedersachsen und Brandenburg. Auch auf dem Feld ist Züchtung Handarbeit. Hof-Mitarbeiterin Lilla Szabo und ihre Kollegen müssen 3000 Gersten-Ähren einsammeln und akribisch verpacken. Deren Saat werde mit dem Einzelährendrescher ausgelesen und mit einem speziellen Sägerät ausgebracht. „Das ist für den Vorstufenantrag“, erläutert Spieß. Nächstes Jahr könne dann der Züchtungsantrag für die neue Saatsorte gestellt werden.
In der konventionellen Landwirtschaft habe man in den vergangenen 50 Jahren „nur auf Masse gezüchtet, auf Ertrag, Farbe – und überhaupt nicht auf Geschmack“, bemängelt Spieß. Er habe hingegen einen Sommerweizen entwickelt, der sich durch hohen Glutengehalt und eine goldgelbe Mehlfarbe auszeichne. Der standortangepassten Züchtung komme künftig immer größere Bedeutung zu, sind sich die Öko-Landwirte sicher. Wegen des langen Vorlaufs der Forschung müsse man bereits jetzt wissen, so betont Spieß, welche Klimabedingungen in 15 Jahren herrschten.